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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Geistesblitze zuständige Tranio, sich die Antworten auszudenken. »Wir waren alle in seiner Hand.« Er machte eine elegante Drehbewegung mit dem Handgelenk und gab sich philosophisch. »Schwache Rollen und langweilige Texte können für uns das Ende bedeuten. Der miese Hund wußte das; er spielte mit uns. Man konnte ihm entweder schmeicheln, was unerträglich war, oder ihn bestechen, was oft nicht ging. Oder man konnte darauf warten, daß ihn jemand anderer an den Eiern packte und solange zudrückte, bis er umfiel. Vor Petra hat das niemand getan – aber es war nur eine Frage der Zeit. Ich hätte Wetten annehmen sollen, wer ihn zuerst drankriegt.«
    »Das kommt mir reichlich übertrieben vor«, meinte ich.
    »Menschen, deren Lebensunterhalt von so einem Schreiberling abhängen, stehen unter Streß.« Als ihr neuer Bühnenautor versuchte ich, mir das nicht zu Herzen zu nehmen. »Um den Mörder zu finden«, riet mir Tranio, »sollten Sie nach dem verzweifelten Schauspieler suchen, der einmal zu oft unter einer schlechten Rolle zu leiden hatte.«
    »Sie vielleicht?«
    Er senkte den Blick, doch falls ich ins Schwarze getroffen hatte, nahm er sich sehr zusammen. »Nein. Ich brauche keinen festgelegten Text. Wenn er mir nichts zu sprechen gab, habe ich einfach improvisiert. Er wußte, daß ich das konnte, deshalb kam er bei mir mit seiner Boshaftigkeit nicht an. Bei Grumio war es natürlich genauso.« Ich sah zu Grumio hinüber, der diesen Nachsatz vielleicht gönnerhaft fand, aber sein freundliches Gesicht zeigte keine Regung.
    Ich grunzte und nippte wieder an meinem Wein. »Und ich dachte, der Mann hätte sich einmal zu oft den schönsten Silbergürtel von jemandem ausgeliehen.«
    »Er war ein Schwein.« Grumio brach sein Schweigen.
    »Das war deutlich! Warum denn?«
    »Er schikanierte die Leute, schlug sie sogar. Und diejenigen, an die er sich körperlich nicht rantraute, tyrannisierte er auf andere Weise.«
    »War er ein Weiberheld?«
    »Da müssen Sie die Frauen fragen.« Noch immer war Tranio der Sprecher, und jetzt schien so etwas wie Eifersucht durchzuklingen. »Ich helfe Ihnen gern, die eine oder andere zu verhören!«
    Da ich schon mal dabei war, prüfte ich gleich alle Möglichkeiten. »Oder war er hinter jungen Männern her?« Beide taten das mit einem lässigen Schulterzucken ab. Allerdings war in der Truppe keiner jung genug, um dem gewöhnlichen Badehausglotzer zu gefallen. Sollten reifere Beziehungen existieren, konnte ich mich ebenso gut als erstes hier bei den Zwillingen nach Beweisen umschauen; eng genug zusammen lebten sie ja. Aber Grumio schien eindeutig an Frauen interessiert zu sein; und Tranio hatte bei seinem Verhör-Witz ebenfalls gegrinst.
    Wieder einmal war es Tranio, der ausführlichere Erklärungen anbot. »Heliodorus konnte einem auf zwanzig Schritt einen Kater ansehen, oder bei einem empfindsamen Halbwüchsigen einen Pickel entdecken, oder merken, wenn jemand Liebeskummer hatte. Er wußte, was sich jeder von uns vom Leben erwartete. Und er schaffte es, den anderen das Gefühl zu geben, ihre kleinen Schwächen wären enorme Mängel und ihre Hoffnungen unerfüllbar.«
    Was mochte Tranio wohl für seine eigene Schwäche halten – und welche Hoffnungen hatte er? Oder mochte er früher gehabt haben?
    »Ein Tyrann! Aber die Truppe kommt mir sehr willensstark vor.« Beide Zwillinge lachten bereitwillig. »Warum?« fragte ich, »haben Sie es denn dann alle mit ihm ausgehalten?«
    »Chremes kannte ihn schon lange«, meinte Grumio müde.
    »Wir brauchten ihn. Nur ein Idiot würde diese Arbeit machen«, sagte Tranio; er legte mehr Schadenfreude in diese Beleidigung, als ich angebracht fand.
    Sie waren ein seltsames Paar. Auf den ersten Blick schien eine enge Verbindung zwischen ihnen zu bestehen, aber ich hatte den Eindruck, daß ihr Zusammenhalt mehr auf der gemeinsamen Arbeit basierte, durch die eine gewisse grundsätzliche Loyalität entstanden war. Freiwillig hätten sie vielleicht keinen Kontakt gepflegt. Und doch mußten Tranio und Grumio unter einem gemeinsamen Ziegenhaardach leben, und alle sahen sie als Einheit. Vielleicht kostete die Aufrechterhaltung dieses Betruges insgeheim Energie.
    Ich war fasziniert. Freundschaften, in denen der unbekümmerte Partner den Gegenpol zu dem ernsthaften darstellt, funktionieren manchmal besonders gut. Das hätte hier der Fall sein müssen – der phlegmatische Grumio hätte dankbar sein sollen für die Gelegenheit, sich mit Tranio zusammenzutun, der mir,

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