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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Wagen teilte, beendet war, wandten sich meine Gedanken natürlich wieder Dingen wie dem Leben, dem Schicksal und der Frage zu, wie ich nur in diesen Saustall gekommen war, wo man mir für einen unerfreulichen Job Nullkommanix zahlte. Wie das meiste Philosophieren, war auch das reinste Zeitverschwendung. Ich bemerkte eine Assel und beobachtete ihre Fortschritte, schloß Wetten mit mir ab, welche Richtung sie als nächstes einschlagen würde. Allmählich war mir so kalt, daß ich an eine Rückkehr zu unserem Biwak denken und Helena erlauben konnte, mein Selbstbewußtsein aufzupeppeln. Da hörte ich draußen Schritte. Jemand stapfte auf den Wagen zu, die Plane wurde zur Seite geschlagen, ungeduldige Bewegungen folgten, und schließlich hievte sich Phrygia herein. Vermutlich suchte auch sie nach Abgeschiedenheit, aber meine Gegenwart schien sie nicht zu stören.
    Phrygia war die sprichwörtliche Bohnenstange; sie überragte fast alle Männer. Diesen Größenvorteil verstärkte sie noch durch ihre Hochfrisur aus krausen, aufgesteckten Locken und Schuhen mit furchterregend hohen Plateausohlen. Wie bei einer Statue, die extra dazu entworfen wurde, in einer Nische zu stehen, war ihre Vorderansicht perfekt ausgeführt, ihr Rücken dagegen war unbearbeitet geblieben. Ihr Gesicht war tadellos geschminkt, und ihr wie ein Brustharnisch ausgebreiteter, vergoldeter Schmuck verteilte sich in klimpernden Lagen über die tadellosen Falten ihrer Stola. Von hinten war jedoch jede beinerne Haarnadel, mit der die Frisur gehalten wurde, sichtbar, der Frontispizschmuck hing an einer einzigen, angelaufenen Kette, die einen roten Striemen in ihren dürren Hals gegraben hatte, die Stola war verknittert, die Schuhe hinten offen und ihr Kleid hochgezerrt und schlampig festgesteckt, um über der Vorderfront einen eleganteren Faltenwurf zu erzeugen. Einmal hatte ich sie im seitlichen Krebsgang eine Straße hinunter gehen sehen. So bewahrte sie ihren öffentlichen Eindruck fast perfekt. Da ihre Bühnenpräsenz so stark war, daß das Publikum verzückt reagierte, war es ihr wurscht, ob irgendwelche Flegel hinter ihr sie verspotteten.
    »Ich habe mir schon gedacht, daß Sie hier drinnen schmollen.« Sie warf sich gegen einen der Kostümkörbe und schüttelte sich die Regentropfen vom Ärmel. Einige trafen mich. Ein Gefühl, als wäre ein dünner, aber energiegeladener Hund zu mir auf einen schmalen Diwan gehüpft.
    »Ich mache mich besser auf den Weg«, murmelte ich. »Ich hatte hier nur Schutz vor dem Regen gesucht …«
    »Verstehe! Ihrem Mädel soll wohl nicht zu Ohren kommen, daß Sie mit der Frau des Direktors in einem Wagen auf Tuchfühlung waren?« Entmutigt ließ ich mich zurücksinken. Ich war gern höflich. Sie sah fünfzehn Jahre älter aus als ich, mindestens. Phrygia schenkte mir ihr bitteres Lachen. »Die niederen Ränge zu trösten, ist mein Privileg, Falco. Ich bin die Mutter der Kompanie!«
    Freundlich lachte ich mit, wie man das so tut. Ich fühlte mich bedroht und überlegte kurz, ob Trost von Phrygia anzunehmen zu den Pflichten der männlichen Truppenmitglieder gehörte. »Machen Sie sich keine Sorgen um mich. Ich bin ein großer Junge …«
    »Ach, wirklich?« Ihr Ton ließ mich förmlich schrumpfen. »Und, wie fanden Sie Ihren ersten Abend?« fragte sie herausfordernd.
    »Lassen Sie mich es mal so ausdrücken: Jetzt kann ich verstehen, warum Heliodorus der Gesellschaft den Rücken gekehrt hat.«
    »Sie werden es schon noch lernen«, tröstete sie mich. »Machen Sie es nicht so literarisch. Und lassen Sie die politischen Anspielungen weg. Sie sind kein verdammter Aristophanes, und die Leute, die Eintritt bezahlen, sind keine gebildeten Athener. Wir spielen für Bauerntölpel, die nur herkommen, um mit ihren Verwandten zu quatschen und zu furzen. Auf der Bühne soll dauernd was los sein, und wir müssen viel Klamauk liefern, aber das können Sie getrost uns Schauspielern überlassen. Wir wissen, was von uns erwartet wird. Sie sollen einfach den entsprechenden Rahmen liefern. Und vergessen Sie nie das simple Motto: kurze Passagen, kurze Texte, kurze Wörter.«
    »Ach, und ich dachte törichterweise, daß ich so erhebende Themen wie gesellschaftliche Desillusionierung, Menschlichkeit und Gerechtigkeit behandeln sollte.«
    »Vergessen Sie’s. Alter Neid und junge Liebe sind gefragt.« Was auf meine Laufbahn als Ermittler ebenfalls zutraf.
    »Wie dumm von mir.«
    »Was Heliodorus betrifft«, fuhr Phrygia in verändertem Ton fort,

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