Letzter Akt in Palmyra
absichtlich in das Reservoir gestoßen. Warum«, meinte sie sanft, »ist er plötzlich zur Zielscheibe geworden?«
Auch darauf hatte Musa eine präzise Antwort: »Die anderen nehmen an, daß ich den Mann gesehen habe, der den vorigen Stückeschreiber ermordet hat.« Mich durchzuckte ein leichter Schreck. Seine Wortwahl machte aus dem Beruf des Stückeschreibers ein gefährliches Unternehmen.
Ich bedachte das Gesagte. »Darüber haben wir mit niemandem gesprochen. Ich habe Sie immer als Dolmetscher bezeichnet.«
»Der Wandschreiber könnte uns gestern belauscht haben«, sagte Musa. Mir gefiel die Art, wie sein Verstand arbeitete. Er hatte – genau wie ich – bemerkt, daß Congrio zu nahe bei uns herumgeschlichen war, und ihn auf die Liste der Verdächtigen gesetzt.
»Vielleicht hat er den anderen erzählt, was er aufgeschnappt hat.« Ich fluchte leise. »Wenn mein alberner Vorschlag, Sie zum Lockvogel zu machen, Ihnen diesen Unfall eingebracht hat, möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen, Musa.«
»Die Leute waren uns gegenüber sowieso schon mißtrauisch«, widersprach Helena. »Über uns sind alle möglichen Gerüchte im Umlauf.«
»Eins ist sicher«, sagte ich. »Wir haben den Mörder des Stückeschreibers offenbar allein dadurch extrem nervös gemacht, daß wir jetzt mit der Gruppe reisen.«
»Er war dort«, bestätigte Musa in ernstem Ton. »Ich weiß, daß er da oben auf dem Damm war.«
»Wieso das?«
»Als ich ins Wasser fiel, schien zuerst niemand das Aufklatschen gehört zu haben. Ich versank schnell und kam dann wieder an die Oberfläche. Ich versuchte, zu Atem zu kommen, und konnte zuerst nicht rufen. Für einen Augenblick fühlte ich mich völlig allein. Die anderen klangen weit weg. Ich hörte ihre Stimmen in der Ferne leiser werden.« Er hielt inne und starrte ins Feuer. Helena griff nach meiner Hand; wir teilten Musas entsetzlichen Moment der Verlassenheit, als er im schwarzen Wasser des Reservoirs ums Überleben kämpfte, während die meisten seiner Gefährten einfach weitergingen, weil sie gar nichts bemerkt hatten.
Musas Gesicht blieb ausdruckslos. Er bewegte sich nicht, ließ weder Beschimpfungen noch wilde Drohungen vom Stapel. Nur sein Ton machte klar, daß sich der Mörder des Stückeschreibers in Zukunft vor ihm in acht nehmen sollte. »Er ist hier«, sagte Musa. »Außer den Stimmen, die in der Dunkelheit verschwanden, begann einer der Männer zu pfeifen.«
Genau wie der Mann, den er pfeifend vom Hohen Opferplatz herunterkommen gehört hatte.
»Tut mir leid, Musa«, entschuldigte ich mich nochmals. »Ich hätte es voraussehen und Sie beschützen müssen.«
»Mir ist nichts passiert. Ist schon in Ordnung.«
»Haben Sie einen Dolch?« Er war verletzlich; ich war bereit, ihm meinen zu geben.
»Ja.« Davos und ich hatten keinen gefunden, als wir ihn auszogen.
»Dann tragen Sie ihn bei sich.«
»Ja, Falco.«
»Und benutzen Sie ihn das nächste Mal.«
»Ja, sicher.« Wieder dieser leichte Ton, der die inhaltsschweren Worte Lügen strafte. Er war ein Dushara-Priester; Musa würde wissen, wohin er stechen mußte. Den Mann, der da im Dunkeln gepfiffen hatte, erwartete vermutlich ein schnelles und blutiges Ende. »Sie und ich werden diesen Banditen finden, Falco.« Musa stand auf und hielt sittsam die Decke um sich gewickelt. »Jetzt sollten wir alle schlafen gehen, glaube ich.«
»Ja, das sollten wir.« Ich konterte mit seinem eigenen Witz: »Helena und ich haben noch viel Streit zu erledigen heute abend.«
Ein verschmitztes Flackern leuchtete in Musas Augen auf. »Ha! Dann muß ich zurück ins Reservoir, bis Sie fertig sind.«
Helena machte ein finsteres Gesicht. »Gehen Sie zu Bett, Musa!«
Am nächsten Tag reisten wir in die Dekapolis. Ich schwor mir, für unser aller Sicherheit zu sorgen.
ZWEITER AKT:
DIE DEKAPOLIS
Die nächsten paar Wochen. Schauplatz sind diverse steinige Straßen und hügelige Städte mit ungastlichen Aspekten. Mehrere Kamele traben herum und schauen sich neugierig die Handlung an.
S YNOPSIS : Falco , ein Gelegenheitsautor, und Helena , seine Komplizin, reisen mit Musa , einem Priester, der seinen Tempel aus reichlich undurchschaubaren Gründen verlassen hat, auf der Suche nach der Wahrheit durch die Dekapolis. Verdächtigt, Schwindler zu sein, fühlen sie sich bald von einem anonymen Verschwörer bedroht, der sich unter ihren neugefundenen Freunden verbergen muß. Jemand muß einen klugen Plan entwickeln, um dessen Tarnung aufzudecken
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