Letzter Akt in Palmyra
Wirkung ein. Er hatte kapiert, daß die Zugehörigkeit zur Didiusfamilie ihm das immerwährende Recht gab, den Narren zu spielen.
Um Leben in die Bude zu bringen, hatte Chremes beschlossen, in Philadelphia Plautus’ Stück Der Strick zu geben. Ein Strick kommt in der Handlung kaum vor; das wichtigste Stück ist eine umstrittene Reisetruhe (im griechischen Original eher eine Art Beutel; wir römischen Bühnenautoren wissen, in großem Maßstab zu denken, wenn wir adaptieren). Um die Truhe gibt es jedoch ein langwieriges Tauziehen, das bei unserer Aufführung natürlich Tranio und Grumio zufiel. Ich hatte ihnen bereits beim Proben der Szene zugeschaut. Von ihrer zwerchfellerschütternden Darbietung konnte ein angehender Stückeschreiber viel lernen: vor allem, daß sein Skript völlig bedeutungslos ist. Das, was sich da auf der Bühne tut, läßt das Publikum aufspringen, doch sowas kann man nicht aufschreiben, und wenn der Stilus noch so spitz ist.
Ich vertat einige Zeit damit, in Philadelphia nach Thalias Vermißter zu fragen, ohne Erfolg. Auch der andere Name, mit dem ich hausieren ging, brachte nichts: Habib, der mysteriöse syrische Geschäftsmann, der Rom besucht und ein fragwürdiges Interesse für Zirkusattraktionen an den Tag gelegt hatte. Ob seine Frau wohl wußte, daß er, während er den Weltreisenden mimte, sich nebenbei lustvoll auf vollbusige Schlangentänzerinnen einließ? (Oh, keine Bange, versicherte mir Helena. Die weiß genau Bescheid!)
Bei meiner Rückkehr zum Lager sah ich Grumio aufregende Akrobatenkunststücke trainieren. Ich bat ihn, mir beizubringen, wie man von einer Leiter fällt – ein Trick, der mir für das tägliche Leben sehr nützlich schien. Es war blödsinnig, das zu versuchen; schon bald war ich übel auf das Bein geknallt, das ich mir vor zwei Jahren gebrochen hatte. Schmerzvoll krümmte ich mich und befürchtete, den Knochen ein zweites Mal gebrochen zu haben. Während Grumio nur den Kopf schüttelte, humpelte ich davon, um mich in unserem Zelt zu erholen.
Als ich jammernd auf dem Bett lag, setzte sich Helena mit etwas zu lesen vor das Zelt.
»Wer ist denn dran schuld?« hatte sie vorher gefragt. »Deine eigene Dummheit, oder wollte dich jemand außer Gefecht setzen?«
Widerstrebend gab ich zu, daß ich selbst um die Lektion gebeten hatte. Nach einer flüchtig gemurmelten Mitleidsbezeugung rollte sie die Zeltklappe runter und ließ mich im Halbdunkel liegen, als wäre ich auf den Kopf gefallen. Ich fand ihre Haltung ein bißchen spöttisch, aber ein kleines Nickerchen schien sowieso angebracht.
Inzwischen war es ziemlich heiß geworden. Wir nahmen es sehr mit der Ruhe, da wir wußten, welche Backofenhitze uns noch bevorstand; man muß sich vor Überanstrengung schützen, wenn man an das Wüstenklima nicht gewöhnt ist. Ich richtete mich also auf ein längeres Schläfchen ein, als ich Helena einem Vorübergehenden ein freundliches »Hallo!« zurufen hörte.
Wahrscheinlich hätte ich nicht weiter darauf geachtet, wenn die ihr antwortende männliche Stimme nicht so vor Selbstzufriedenheit getrieft hätte. Es war ein hübscher, volltönender Tenor mit verführerischer Modulation, und ich wußte, wem er gehörte: Philocrates, der sich für das Idol aller Frauen hielt.
XXIII
»Ach, hallo!« erwiderte er, offensichtlich überglücklich, die Aufmerksamkeit meines exquisiten Pflänzchens errungen zu haben. Männer brauchten nicht erst ihren Bankier auszuhorchen, um zu wissen, daß Helena ein Schwätzchen wert war.
Ich blieb, wo ich war. Aber ich hatte mich aufgesetzt.
Von meinem abgedunkelten Versteck aus hörte ich ihn näherkommen. Seine flotten Lederstiefel, die stets seine männlichen Waden hervorhoben, knirschten über den steinigen Boden. Schuhzeug war der einzige Luxus, den er sich gönnte, obwohl er den Rest seiner fadenscheinigen Kleidung so trug, als wären es königliche Gewänder. (Genauer gesagt trug Philocrates seine gesamte Kleidung wie ein Mann, der sie im nächsten Moment mit unsittlichen Absichten fallen lassen würde.) Von einem Theatersitz aus wirkte er ungemein gutaussehend; das zu bestreiten, wäre dumm. Aber bei genauerem Hinsehen entpuppte er sich als eine überreife Damaszenerpflaume: zu weich und schon braun unter der Haut. Und wenn auch alle seine Proportionen stimmten, so war er doch insgesamt sehr klein. Ich konnte ihm ohne weiteres über die ordentlich gekämmten Locken schauen, und in den meisten Szenen, die er mit Phrygia zusammen spielte,
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