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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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überlegte. »Tranio, glaube ich.«
    »Das kann gut hinkommen!« Tranio war zwar nicht mein Hauptverdächtiger – zumindest jetzt noch nicht, weil ich keine Beweise hatte –, aber als potentieller Unruhestifter stand er ganz oben auf der Liste.
    »Warum sind Sie überhaupt mitgegangen?« wollte Helena wissen.
    Er schenkte ihr ein erstaunliches Grinsen; es erhellte sein ganzes Gesicht. »Ich dachte, Sie und Falco würden sich über das Stück streiten.« Es war Musas erster Witz. Einer auf meine Kosten.
    »Wir streiten uns nie!« knurrte ich.
    »Dann bitte ich um Verzeihung.« Das sagte er mit der höflichen Unaufrichtigkeit eines Mannes, der mit uns das Zelt teilte und die Wahrheit kannte.
    »Erzählen Sie uns von dem Unfall«, drängte Helena ihn lächelnd.
    Auch der Priester lächelte, verschmitzter, als wir es gewohnt waren, wurde aber beim Erzählen seiner Geschichte gleich wieder ernst. »Der Weg war schwierig. Wir stolperten mit gesenkten Köpfen vorwärts. Alle schimpften vor sich hin, aber keiner wollte vorschlagen, umzukehren. Als wir auf dem Damm um die Zisterne langgingen, spürte ich, wie mich jemand stieß, etwa so …« Plötzlich schlug er mir mit der flachen Hand hart ins Kreuz. Ich spannte die Beinmuskeln an, um nicht ins Feuer zu fallen; er hatte einen kräftigen Schlag. »Ich fiel über die Mauer …«
    »Jupiter! Und Sie können natürlich nicht schwimmen!«
    Da ich es selbst nicht kann, erfüllte mich die Vorstellung mit Entsetzen. Doch Musas dunkle Augen betrachteten mich amüsiert. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Es schien eine logische Schlußfolgerung, schließlich leben Sie in einer Wüstenstadt …«
    Er hob mißbilligend eine Braue, als hätte ich etwas Dummes gesagt. »Wir haben genug Zisternen in Petra. Kleine Jungs spielen ständig da drin rum. Ich kann schwimmen.«
    »Ach!« Das hatte ihm das Leben gerettet. Aber jemand anderes mußte den gleichen Fehler gemacht haben wie ich.
    »Allerdings war es sehr dunkel«, fuhr Musa in seinem leichten Plauderton fort. »Ich war erschreckt. Das kalte Wasser nahm mir den Atem. Ich sah keine Stelle zum Rausklettern. Ich hatte Angst.« Sein Bericht war offen und geradeheraus, wie alles, was er sagte oder tat. »Ich spürte, daß das Wasser unter mir sehr tief war. Viel tiefer, als ein Mann groß ist. Sobald ich wieder atmen konnte, rief ich laut um Hilfe.«
    Helena runzelte entrüstet die Stirn. »Das ist ja grauenvoll! Ist Ihnen irgend jemand zu Hilfe gekommen?«
    »Davos hat als erster einen Weg zum Wasser hinunter gefunden. Er brüllte Anweisungen für mich und für die anderen. Er wirkte sehr …« Musa suchte nach dem griechischen Wort. »Kompetent. Dann kamen auch die anderen – die Clowns, die Bühnenarbeiter, Congrio. Hände streckten sich mir entgegen, und ich wurde rausgezogen. Ich weiß nicht, wessen Hände es waren.« Das spielte keine Rolle. Sobald feststand, daß er nicht untergegangen war und gerettet werden würde, hatte derjenige, der ihn reingeschubst hatte, sich bestimmt eifrig an der Rettung beteiligt, um seine Spuren zu verwischen.
    »Auf die Hände, die Sie reingestoßen haben, kommt es an.« Ich dachte an unsere Liste der Verdächtigen und versuchte mir vorzustellen, was da in der Dunkelheit auf dem Damm vor sich gegangen sein mochte. »Sie haben weder Chremes noch Philocrates erwähnt. Waren sie auch dabei?«
    »Nein.«
    »Das klingt, als könnten wir Davos als Täter ausschließen, aber den Rest sollten wir im Auge behalten. Können Sie sich erinnern, wer in Ihrer unmittelbaren Nähe war, kurz bevor es passiert ist?«
    »Ganz sicher bin ich mir nicht. Ich meine, es wären die Zwillinge gewesen. Vorher hatte ich mich mit Congrio, dem Wandschreiber, unterhalten. Aber er war zurückgefallen. Weil der Weg so hoch war und es stark wehte, gingen alle langsamer und weit auseinandergezogen. Man konnte zwar Umrisse erkennen, aber nicht, wer es war.«
    »Mußtet ihr im Gänsemarsch gehen?«
    »Nein. Ich ging allein, andere in Gruppen. Der Pfad war breit genug; er wirkte nur gefährlich, weil er eben so hoch lag und vom Regen rutschig war. Außerdem war es stockfinster.« Wenn er denn sprach, drückte sich Musa sehr präzise aus, ein intelligenter Mann, der sich einer ihm fremden Sprache bedienen mußte. Und ein besonnener Mann dazu. Nicht viele Menschen bleiben so ruhig, wenn sie gerade knapp dem Tode entronnen sind.
    Eine kurze Stille entstand. Wie gewöhnlich war es Helena, die die kniffligsten Fragen stellte: »Musa wurde

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