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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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überall auf Fortschritte, markierten ein neues Straßennetz und ein ambitioniertes ovales Forum.
    Bei jeder anderen Stadt in irgendeiner Ecke des Imperiums hätte ich gesagt, daß der grandiose Plan nie umgesetzt wird. Aber Gerasa besaß zweifellos das nötige Kleingeld, sich mit Kolonnaden zu schmücken. Unsere eigene Befragung gab einen Hinweis darauf, wieviel Tribut (ein höflicher Ausdruck für Bestechung) die Bürger den tausend oder mehr Karawanen abzuzwacken gedachten, die jedes Jahr von Nabatäa hierher trotteten.
    »Wieviel Kamele?« bellte der Zollbeamte, ein Mann, der in Eile war.
    »Zwölf.«
    Seine Lippen verzogen sich. Er war es gewöhnt, in Zwanzigern und Hundertern zu zählen. Trotzdem hielt er seine Schriftrolle parat. »Esel?«
    »Keine mit verkaufbarer Handelsware. Nur private Güter.«
    »Zu den Kamelen. Wieviel Ladungen von Myrrhe in Alabasterkrügen?«
    »Keine.«
    »Weihrauch? Andere Duftstoffe? Balsam, Bdellium, Labdanumharz, Galbanum, eine der vier verschiedenen Kardamomarten?«
    »Nein.«
    »Anzahl der Olivenölladungen? Eine Ladung entspricht vier Ziegenlederschläuchen«, erklärte er hilfreich.
    »Keine.«
    »Edelsteine, Elfenbein, Perlmutter oder Perlen? Edelhölzer?« Um Zeit zu sparen, schüttelten wir nur den Kopf. Er blickte langsam durch. Die einfacheren Gewürze betete er runter, fast ohne von seiner Liste aufzuschauen: »Pfeffer, Ingwer, Nelkenpfeffer, Kurkuma, Kalamus, Muskat, Zimt, Safran? Nein … getrocknete Waren?« versuchte er es hoffnungsvoll.
    »Keine.«
    »Anzahl der Sklaven? Außer für den persönlichen Gebrauch«, fügte er mit höhnischem Schnauben hinzu; er sah, daß keiner von uns kürzlich von einem dunkeläugigen, glatthäutigen Leibeigenen manikürt oder massiert worden war.
    »Keine.«
    »Womit genau«, fragte er uns mit einem Gesichtsausdruck, der zwischen Mißtrauen und Entsetzen schwankte, »handeln Sie dann?«
    »Mit Unterhaltung.«
    Unfähig zu entscheiden, ob wir dumm oder gefährlich waren, winkte er uns ärgerlich zur Seite und beriet sich mit einem Kollegen.
    »Könnte es Probleme geben?« wisperte Helena.
    »Schon möglich.«
    Eines der Mädchen aus unserem spärlich besetzten Orchester lachte. »Keine Bange. Wenn der sich aufblasen will, setzen wir Afrania auf ihn an.«
    Afrania, ein Wesen von wundersamer und selbstsicherer Schönheit, spielte die Flöte und tanzte ein wenig. Diejenigen der Truppe, die nicht von pingeligen Freundinnen begleitet wurden, fanden auch noch andere Verwendung für sie. Während wir warteten, flirtete sie träge mit Philocrates, schaute aber auf, als sie ihren Namen hörte. Sie machte eine Geste, deren Derbheit ihrem völlig gelassenen Gesichtsausdruck widersprach. »Der gehört dir, Ione! Beamte einzuwickeln, verlangt nach einer Expertin. Da kann ich nicht mithalten.«
    Ihre Freundin Ione tat das mit einem Schulterzucken ab. Sie wandte sich uns zu, schenkte uns ein breites Grinsen, zauberte von irgendwo unter ihren verknautschten Röcken einen halben Brotlaib hervor, zerteilte ihn und reichte die Stücke herum.
    Ione war Tamburinspielerin und eine aufregende Person. Helena und ich bemühten uns, sie nicht offen anzustarren, aber Musa konnte den Blick nicht von ihr wenden. Iones stämmige Gestalt war in mindestens zwei Stolen gewickelt, die kreuzweise über ihren Busen verliefen. Sie trug einen Schlangenarmreif, der den größten Teil ihres linken Arms bedeckte, und diverse Ringe mit Glassteinen. Dreieckige Ohrringe, so lang, daß sie ihre Schultern berührten, waren mit klimpernden roten und grünen Steinen, Drahtschlaufen und Metallstücken behängt. Sie liebte elastische Gürtel, geschnürte Sandalen, wallende Schals und dick aufgetragene Schminke. Ihr wildes Kraushaar stand wirr nach allen Seiten ab wie ein strahlenförmiges Diadem; hier und da waren Teile ihrer Wuschellocken zu dünnen, mit Wollfäden zusammengebundenen Zöpfen geflochten. Die Haarfarbe war größtenteils ein stumpfer Bronzeton mit verfilzten rötlichen Strähnen, die fast wie getrocknetes Blut von einem wüsten Kampf aussahen. Sie strahlte etwas Positives aus; Ione verlor bestimmt keinen Kampf.
    Irgendwo hinter dieser Fassade versteckte sich eine schmal gebaute junge Frau mit scharfem Verstand und einem großen Herzen. Sie war klüger, als nach außen hin erkennbar. Ich kann damit umgehen, aber für die meisten Männer ist so ein Mädchen gefährlich.
    Sie hatte Musas Blick bemerkt. Ihr Grinsen wurde breiter, bis es ihm offensichtlich unbehaglich

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