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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Ich versuchte, den offenen, freundlichen Typen zu spielen.
    »Was immer man Ihnen erzählt hat.«
    »Mir hat man gar nichts erzählt. Ich lag betrunken in meinem Zelt. Selbst Helena redet nicht mehr mit mir.«
    Ich tat immer noch so, als würde ich die unheilvolle Spannung nicht bemerken, hockte mich zu ihnen und grinste wie ein harmloser Tourist in die Runde. Sie starrten böse zurück, während ich schaute, wer alles hier war.
    Unser Orchester bestand aus Afrania, der Flötistin, deren Instrument eine einrohrige Tibia war; einem anderen Mädchen, das Panflöte spielte; einem griesgrämigen, hakennasigen alten Kerl, den ich zwei kleine Handzimbeln mit erstaunlicher Zartheit hatte spielen sehen, und einem bleichen jungen Mann, der die Lyra zupfte, wenn ihm danach war. Sie wurden von einem langen, dünnen, glatzköpfigen Lulatsch angeführt, der manchmal auf einem gewaltigen Blasinstrument trötete, dessen eines Horn nach oben gebogen war, während er für alle den Rhythmus mit einer Fußklapper schlug. Verglichen mit anderen Theaterensembles, war dies eine große Gruppe, dafür tanzten die Mitglieder allerdings auch, verkauften in den Pausen schlaffes Gebäck und standen nach der Vorstellung Interessenten aus dem Publikum zu individueller Unterhaltung zur Verfügung.
    Dazu kamen die Jungs fürs Grobe, eine Reihe kleiner, O-beiniger Bühnenarbeiter, deren Frauen alle stämmige, flachgesichtige Maschinen waren, die einen in der Schlange beim Bäcker vom Vordrängen abhalten würden. Im Gegensatz zu den Musikern, die aus ganz unterschiedlichen Welten kamen und deren Quartiere von künstlerischer Schlamperei zeugten, waren die Kulissenschieber eine eng miteinander verbundene Gruppe, wie Kahnführer oder Kesselflicker. Sie lebten in blitzsauberer Ordentlichkeit, kannten das Zirkusleben von Kind an. Wann immer wir an einem neuen Spielort ankamen, waren sie die ersten, die Ordnung in das Chaos brachten. Ihre Zelte standen in geraden Reihen, und ihr Lager hatte aufwendige sanitäre Vorkehrungen am einen Ende. Außerdem teilten sie sich einen riesigen Eisenkessel, in dem nach einer genau festgelegten Reihenfolge für alle gekocht wurde. Ich konnte den Kessel von meinem Platz aus sehen, und der ölige Dampf, der von ihm aufstieg, brachte mir den nach wie vor sehr labilen Zustand meines Magens wieder zu Bewußtsein.
    »Spüre ich eine gewisse Anspannung?«
    »Wo haben Sie gesteckt, Falco?« Der hakennasige Zimbelspieler klang mißtrauisch und warf einen Stein nach einem der Hunde. Ich war froh, daß er ihn nicht nach mir geworfen hatte.
    »Wie schon gesagt: betrunken im Bett.«
    »Sie haben sich ja ganz schön schnell an das Leben eines Stückeschreibers gewöhnt.«
    »Wenn Sie für diese Truppe schreiben müßten, wären Sie auch betrunken.«
    »Oder in der Zisterne ersoffen!« höhnte jemand aus dem Hintergrund.
    »Oder das«, stimmte ich ruhig zu. »Das macht mir schon manchmal Sorgen. Vielleicht kann derjenige, der es auf Heliodorus abgesehen hatte, Stückeschreiber nicht leiden, und ich bin der nächste.« Ione erwähnte ich absichtlich nicht, obwohl sie diesen Leuten mehr bedeutet haben mußte als der ertrunkene Skribent.
    »Keine Bange«, meinte die Panflötenspielerin verächtlich. »So gut sind Sie nicht!«
    »Ha! Woher wollen Sie das wissen? Selbst die Schauspieler lesen die Stücke nicht, also bin ich mir verdammt sicher, daß ihr Musiker es erst recht nicht tut! Aber Sie wollen doch wohl nicht behaupten, daß Heliodorus ein guter Autor war?«
    »Er war das letzte!« rief Afrania. »Plancina will Sie nur ärgern.«
    »Ach, für einen Augenblick dachte ich schon, Heliodorus wäre viel besser gewesen als sein Ruf – aber gilt das nicht für uns alle?« Ich versuchte, wie ein gekränkter Autor auszusehen. Das war nicht leicht, denn natürlich wußte ich, daß meine eigene Arbeit von bester Qualität war – falls sie jemals jemand mit wirklich kritischem Verstand lesen würde.
    »Aber nicht doch, Falco!« lachte die Panflötenspielerin, dieses rotzfreche Stück in kurzer, safrangelber Tunika, das laut Afrania offenbar auf den Namen Plancina hörte.
    »Tausend Dank. Tut gut, das zu hören … Also, warum ist hier alles so mieser Stimmung?«
    »Verpissen Sie sich. Wir reden mit niemandem von der Geschäftsleitung.«
    »Ich gehöre nicht zu denen. Ich bin noch nicht mal Schauspieler. Ich bin nur ein freischaffender Autor, der zufällig zu dieser Truppe gestoßen ist; einer, der sich allmählich wünscht, er hätte um

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