Letzter Akt in Palmyra
vor war ich sicher, daß sie gelogen hatte.
»Er wird vielleicht über Sie herfallen, wenn Sie ihm zu dicht auf den Fersen sind«, meinte der Zimbelspieler.
»Das wird er vermutlich tun.«
»Haben Sie keine Angst?« fragte Plancina, als wäre die Aussicht, das zu erleben, fast so gut wie ein blutrünstiges Wagenrennen.
»Wenn er versucht, mich umzubringen, wäre das sein größter Fehler.« Ich klang zuversichtlich.
»Wenn Sie in den nächsten Wochen Durst haben«, riet mir der Orchesterleiter in seinem üblichen pessimistischen Ton, »sollten Sie einen sehr kleinen Becher benutzen!«
»Ich habe nicht vor, zu ertrinken.«
Ich verschränkte die Arme und stand mit gespreizten Beinen da wie ein Mann, dem man in einer Krisensituation vertrauen kann. Da sie an einigermaßen anständige Schauspielkunst gewöhnt waren, überzeugte sie das nicht. »Die Entscheidung kann ich Ihnen nicht abnehmen. Aber ich kann Ihnen etwas versprechen. Ich bin nicht der Gelegenheitsschreiber, den Chremes in der Wüste aufgegabelt hat. Ich kenne mich aus und habe für die Besten gearbeitet – fragen Sie mich nicht nach Namen. Ich habe Aufgaben bewältigt, über die ich nicht sprechen darf, und beherrsche Fähigkeiten, deren Beschreibung ich Ihnen lieber erspare. Ich habe eine Menge Verbrecher zur Strecke gebracht, und wenn Sie nichts davon gehört haben, beweist das nur, wie diskret ich bin. Wenn Sie sich zum Bleiben entschließen, bleibe ich auch. Dann wissen Sie zumindest, daß ich mich um Ihre Interessen kümmere …«
Ich muß verrückt gewesen sein. In meiner Besoffenheit des gestrigen Abends hatte ich mehr Verstand und geistige Klarheit besessen. Diesen Haufen zu beschützen, war nicht das Problem. Was mich viel mehr beunruhigte, war die Vorstellung, Helena erklären zu müssen, wieso ich so wilden Weibern wie Afrania und Plancina meinen persönlichen Schutz angeboten hatte.
XXXVIII
Die Musiker und Bühnenarbeiter blieben bei uns und arbeiteten weiter. Wir gaben Skythopolis Die Vögel . Skythopolis gab uns – Beifall.
Für Griechen waren sie erstaunlich tolerant.
Sie hatten ein interessantes Theater mit einem halbrunden Orchesterraum, der nur über Stufen erreichbar war. Für ein römisches Stück hätten wir ihn nicht gebraucht, aber wir führten ein griechisches auf, mit einem sehr großen Chor, und Chremes wollte, daß sich die Vogelschar unters Publikum mischte. Die Stufen machten all denen das Leben schwer, die dumm genug waren, in dick gepolsterten Kostümen mit riesigen Klauen an den Füßen und schweren Masken mit Schnäbeln daran aufzutreten.
Während wir in der Stadt waren, versuchte ein raffgieriger Händler, den Magistrat zu überreden, Tausende für ein akustisches System auszuspucken (irgendeine bronzene Vorrichtung, die an der Wand des Theaters aufgehängt werden sollte). Der Theaterarchitekt wies freudig darauf hin, daß er bereits sieben hervorragende ovale Nischen eingebaut hatte, die das komplexe Gebilde aufnehmen konnten; er steckte offensichtlich mit dem Händler unter einer Decke und sollte einen Anteil bekommen.
Wir stellten diese neuartigen Spielzeuge mit unserem Zwitschern, Tschilpen und Krächzen auf eine harte Probe und konnten, ehrlich gesagt, keinen Unterschied feststellen. Bei der perfekten Akustik der meisten griechischen Theater war das allerdings kein Wunder. Die Steuerzahler von Skythopolis lehnten sich gemütlich in ihren Sitzen zurück und sahen aus, als hätten sie nichts dagegen, Lorbeerkränze in die sieben Nischen zu packen. Der Architekt wirkte krank.
Obwohl Congrio uns erzählt hatte, daß es schon einmal passiert war, kam ich nie ganz dahinter, warum Chremes plötzlich von seinem normalen Repertoire abwich. Mit Aristophanes waren wir vierhundert Jahre zurückgehüpft, von der römischen Neuen Komödie zur alten griechischen. Mir gefiel sie. Man sagt, die alten Späße seien die besten. Auf jeden Fall sind sie besser als gar keine. Für mich muß ein Stück Biß haben. Und als Republikaner meine ich damit natürlich politischen Biß. Die alte Komödie hatte das und war eine angenehme Abwechslung. Ich finde die Neue Komödie gräßlich. Sinnlose Plots über ermüdende Charaktere in scheußlichen Situationen auf einer Provinzstraße langweilen mich zu Tode. Wenn ich das wollte, konnte ich auch nach Hause gehen und meine Nachbarn durch die dünnen Wände ihrer Wohnungen belauschen.
Die Vögel waren berühmt. Bei der Probe erzählte Tranio, der immer eine Anekdote parat hatte:
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