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Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Titel: Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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stehen, sich freuend wie ein Kind, die Hände auf die Knie gestützt, sich das Figurenpaar aus der Nähe zu besehen.
    Und patschte verzückt die Hände auf die Schenkel, als nach dem letzten Glöckchenschlag aus einer unsichtbaren Spieldose die Schäferkantate von Georg Friedrich Händel aus Atalanta erklang und das graziöse Pärchen – eine Schäferin mit ihrem Schäfer – sich im Reigen dazu drehte.
     
    Michaela schien irgendwie verändert. Nun lag Janine nichts ferner als unverblümte Neugierde, aber wenn man geradenwegs darauf gestoßen wird... Willi und Ingrid schnitten in letzter Zeit auch so seltsame Gesichter, wenn die Rede auf Tante Ela kam und ihren Untermieter.
    „Du, Mamma, die Tante Ela hat ein so wunderschönes Negligé“, schwärmte Ingrid, „so etwas hab´ ich echt noch nie gesehen; ich glaub´, altrosa ist´s und ganz aus Seide!“
    „So?“ meinte ihre Mutter nur und kräuselte die Stirn. Ihr war es durchaus nicht recht, dass sich ihre Sprösslinge Gedanken darüber machten, was sie selbst mit eigenen Augen gesehen hatte, als sie morgens von der Nachtschicht im Kombinat nach Hause kam und auf Kloczowski im Hausflur treffen musste, der nämlich im halboffenen Schlafanzug und mit zerzaustem Haar aus Michaelas Küche huschte. Offensichtlich wütend, von der Nachbarin in diesem Aufzug und unter kaum misszuverstehenden Umständen ertappt worden zu sein, hatte er einen mürrischen Gruß geknurrt, bevor er, in seinem Zimmer verschwindend, die Türe hinter sich zuknallte.
    Michaelas verändertes, unstetes Wesen, ihre augenscheinliche Verlegenheit, wenn sie mit ihrer Freundin zusammentraf, sprach Bände. Es passte so gar nicht zu Janines Art, vorschnell den Stab über einen Mitmenschen zu brechen, aber es tat ihr in der Seele weh, mit ansehen zu müssen, wie ihre junge Freundin sich offenbar von diesem widerwärtigen Knilch hatte ködern lassen, dessen Auftreten allein deutlich genug verriet, dass sein Vermögen schmutzigen Quellen entsprang.
    Am Nachmittag zeigte ihr Ingrid eine Dose Kakaopulver und ein großes Netz Orangen. „Sieh mal, Mamma, das hat uns Tante Ela geschenkt; der Willi hat mich ausgeschimpft und gemeint, ich hätte das nicht annehmen dürfen.“
    „Recht hat er gehabt, Ingelein; wir sollten Dinge, die von Herrn Kloczowski stammen, nicht entgegennehmen.“ Und als ihr Töchterchen daraufhin eine enttäuschte Schnute zog, setzte sie hinzu: „Freilich haste Ela nich jut nee saren könn´, ohne dette se jekränkt hättst, denn schließlich hat se et jut jemeint. Also Schwamm drüber; für diesmal musstet schon behalten, die Apfelsinen meen ick; lasst se euch schmecken, un de Schokoladenlorke machen wa für Besuch. Ick rede schon selba mit se, wa?“
    Ingrid schien erleichtert, und Sorgen hatte ein Mädel in ihrem Alter genug; Janine unterdrückte einen Seufzer, als sie bemerkte, wie froh ihre Tochter war, ihren Schatz behalten zu dürfen. Als Berliner Mutter mit drei hungrigen Blagen und ständig flimmerndem Fernseher fiel es ihr bisweilen schwer, die konsequente Erziehungsberechtigte zu spielen. Sie musste daran denken, dass erst vor wenigen Tagen eine Nachbarin aus der Kruggasse, die als Aufwartefrau bei Herrschaften in Vandalitz ein Nebenbrot verdiente, mit Schimpf und Schande entlassen worden war, weil die Dame des Hauses eine Dose Ananas und zwei Bananen aus der Speisekammer in der Tasche ihrer Perle entdeckt hatte, die diese unter der Hand mitgehen heißen wollte. Kann man´s ihr verdenken, fragte sich Janine, ich glaub´, wenn ich dauernd eine mit Delikatessen vollgestopfte Vorratskammer vor Augen hätt´, würd´ ich´s nicht anders machen, eh´ ich meine Kinder darben ließ´.
    „Sei mir nich bös´, Ela, aber ick will det nich!“ stellte sie die Freundin gleichwohl bei nächster Gelegenheit zur Rede.
„Warum denn bloß det nich? Du stellst dir aba komisch an, wa? Det hat mir der Herr Kloczowski mitjebracht, da is doch wirklich nix dabee; hat der doch weeß Jott jenuch Pinke und kann sich allet, watter nu will, im Intaschopp besorjen.“ Damit trat sie an die Anrichte, um ihr ein Päckchen zu entnehmen und es Janine hinzuhalten. „Da habick ooch wat für dicke, eyj: echta Bohnenkaffe, un nich etwa Honeckers Krönung , richtga Kaffe, der wird dir jut tun, wenn de uff Nachtschicht jehst, wa!“  
    Doch Janine schaute sie nur stumm an und sagte kein Wort, ohne das Päckchen anzunehmen. Michaela wurde unsicher unter dem forschenden Blick ihrer älteren Freundin und meinte

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