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Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Titel: Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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und keine Eifersucht, wenn ich bitten darf!“ Dabei legte sie den Arm um Willi, was diesen so verlegen werden ließ, dass er einen ganz krummen Buckel machte wie ein Kater, dem man das Fell gegen den Strich gestreichelt hat.
    „Sto Gramm und Radeberger für jeden?“ wollte der Budiker wissen.
    Michaela schüttelte den Kopf. „Kein Schnaps, nur Bier, bitte schön, wenn es nichts ausmacht.“
    Als wenig später der fette Wirt das Pils vor sie hinstellte, nahm Willi sogleich gierig einen tiefen Schluck. „Na, na!“ mahnte Michaela, was er nicht mitbekam, so gut tat ihm der kühle Trunk, der seine trübseligen Gedanken einnebelte und ihn das große Glas in einem Zug leer trinken ließ. Auch die junge Frau besaß einen guten Zug, hatte fast gleichzeitig ausgetrunken. Nach einem weiteren Pils zahlte Michaela, und das Paar verließ das rauchige Lokal und war froh, wieder an die frische Luft zu kommen. Draußen vor dem Eingang musste Willi die Augen schließen, weil er ganz benommen war; der kühle Gerstensaft schien ihm direkt bis in den Kopf hinaufgestiegen und in die Beine hinuntergelaufen zu sein, da sie sich schwer anfühlten wie Blei und der Schädel zu brummen begann.
    Mittlerweile stand der Mond schräg über dem Turm des Rahnsdorfer Kirchleins am Anfang der Sackgasse, ein lauer, erfrischender Wind ging von West über die Müggel-Spree durch den Biergarten und ließ eine Laterne über ihren Köpfen hin und her pendeln, so dass die Kette leise klirrte. Beide sogen sie die linde Luft tief in ihre Lungen, bevor sie die Dorfstraße verließen, die wie eine dunkle Schlucht hinter ihnen zurückblieb. Michaela sah mit einem Blick, dass Willi recht unsicher auf den Beinen war, und forderte ihn lächelnd auf, sich doch ohne viel Umstände bei ihr einzuhängen. „Bist das Bier noch nicht gewohnt, ja? Und hast außerdem viel zu hastig getrunken.“ In gekränkter Eitelkeit wollte Willi schon abwehren, als er sich eines Besseren besann und nur allzu gerne die Kavaliersgeste vollführen wollte, die eigentlich Michaela unternahm, die ihm ihren Arm darbot. Arm in Arm erreichten sie Müggelwerder am Ufer des großen Müggelsees mit seinen MfS-Yachten und Motorbooten der Promis und riesigen Kastanienbäumen, unter denen sie sich auf eine Bank fallen ließen.
    Willi lehnte sich zurück, streckte alle Viere von sich, schloss die Augen.
    „Bist du so müde?“ fragte Michaela. „Dann können wir ja umkehren, wenn du willst.“
    Er fuhr zusammen und wies ihr Ansinnen heftig ab bei dem überhaupt nicht verlockenden Gedanken, wieder in sein enges Zimmer zurückkehren zu müssen. Dort erwartete ihn nichts Verheißungsvolles, und hier brauchte er nicht zu grübeln, sondern bloß dazusitzen und dem leichten Spiel der Wellen zuzuschauen, die im Mondlicht schimmerten und säuselnd den Strand hinaufliefen. Michaela tat es dem jungen Mann schweigend gleich, und als sie ihm nach einer Weile einen Seitenblick zuwarf und ihn so reglos und still da hocken sah, dachte sie schon, er sei am Ende eingeschlafen. Wie schlecht er aussieht, dachte sie; Janine hat recht, wenn sie befürchtet, er könnte was an die Lungen kriegen. Michaela war überrascht, als Willi ihr plötzlich den Kopf zuwandte, weil er vielleicht ihren Blick gespürt haben mochte.
    „Weißt du“, sagte sie, „ich habe gerade bei mir gedacht, dass du viel Ruhe nötig hättest, einmal richtig ausspannen solltest und dich ausruhen und nicht noch in der Garage arbeiten... – Ma-Jo!“ rief sie unvermittelt laut über den See, dass Willi sie erstaunt anstarrte. Sie legte ihre Hand auf die seine: „Ich habe dir ja noch gar nicht zu deiner Auszeichnung gratuliert!“ Er machte eine abrupte, zornig-abwehrende Bewegung und kehrte sich ab. „Deine Mutter hat mir heute Nachmittag den Brief von der Schulleitung gezeigt. Ich finde das klasse, wie sie dich loben, da kann man ehrlich nicht meckern.“
    „Hör doch auf!“ unterbrach er sie ungestüm, entzog ihr seine Hand und machte plötzlich einen hellwachen Eindruck.
    „Ich kann und will nichts mehr hören davon, bitte!“ Nach einer Atempause bereute er seine Heftigkeit. „Es tut mir leid, bis jetzt war es schön hier, da musst du unbedingt davon anfangen! Schade.“
    Erschrocken und runden Mundes stand Michaela auf und starrte den Jungen an; diesen Temperamentsausbruch hatte sie dem zurückhaltenden, stillen kleinen Willi gar nicht zugetraut. Sie begriff nicht.
    Als er ihre erschrockene Miene im Mondlicht gewahrte, kam er zu sich:

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