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Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Titel: Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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gebräunten Lederhaut und dem rauen, auf englische Art gestutzten Schnurrbart sowie seinen schwieligen Kohlenschaufeln, wie er selbst seine großen kräftigen Hände nannte. Aufgewachsen war er an der Ostseeküste und hatte seit frühester Jugend davon geträumt, zur See zu fahren. Aber da er sein Herz auf dem rechten Fleck trug, auch nie eine Mördergrube daraus machte, sondern stets frei heraus sprach, wie ihm der Schnabel gewachsen, war er zum Befahren der sieben Weltmeere für nicht geeignet befunden worden. Seinen kritischen Schneid aber hatte er sich zu keiner Zeit abkaufen lassen, und so stand er mit den Menschen, die hier zusammengekommen waren, in Opposition zu ihrer Staats- und Parteiführung, die für die jahrzehntelange Misswirtschaft verantwortlich zeichnete. Janine, die kluge Augen besaß und dahinter einen wachen und – wie man sagt: gesunden – Menschenverstand beherbergte, war die unumstrittene Wort- und Tatführerin; sie war nicht hübsch im Sinne der Attraktivität, wie sie die Werbespots der Westkanäle propagierten, verfügte dafür aber über eine klare, bestimmte Art und nahm durch ihre wache Intelligenz für sich ein. Jetzt agitierte sie ihre Freunde, dass eine Reform der Partei an Haupt und Gliedern unumgänglich sei, was eigentlich unumstritten war. Allerdings gingen die Meinungen im Detail der grundsätzlichen Fragen auseinander. Ludolf Friesel beharrte auf dem Standpunkt, dass die Karre endgültig verfahren sei und dass nur durch die Neugründung einer wirklich demokratischen Partei, in der sich alle aufrechten Oppositionellen und alle unverbildeten, undogmatischen Bürger zusammenschließen müssten, der Weg in eine freiheitlich orientierte Gesellschaft mit Wohlstand und Gesundheit für alle eingeschlagen werden könnte.
    Der große Willi hingegen wollte um keinen Preis durch eine Neugründung, die sowieso nicht in die Tat umzusetzen sei in Anbetracht der herrschenden Partei mit ihrem alles überwachenden Spitzeldienst, die Bewegung aufspalten und den sozialistischen Kräften den Rücken kehren, die sich nun mal mit ihren besten Kadern in der Einheitspartei befänden. Wenn schon die Parteiführer einen falschen Weg eingeschlagen hätten, der nicht nur von ihrem Standpunkt aus zu verurteilen sei, sondern auch aufgrund der Schlussakte von Helsinki, eigener Parteitagsbeschlüsse und Abmachungen mit der westdeutschen Sozialdemokratie, dann müssten sie nach seiner maßgeblichen Meinung innerhalb der Partei absolut reinen Tisch machen, indem man nach und nach die Genossen von der Notwendigkeit grundlegender Reformen überzeugte und unter ihnen Anhänger für eine innerparteiliche Gegenströmung gewänne. Er traue Politikern wie Hager, Axen, Neumann und Mückenberger nicht über den Weg, hielt sie für viel zu senil, als dass sie je auf einem Parteitag zur Rechenschaft gezogen werden könnten; den ollen Erich hingegen hielt er für die leibhaftige Verkörperung eines über vierzigjährigen Kampfes der deutschen kommunistischen Bewegung.
    „Nicht nur in der Sowjetunion malen sie das Gespenst des Revisionismus und der Fraktionsbildung an die Mauern...“, gab Janine zu bedenken, bevor sie die Küche verließ, um Getränke zu holen.
    Eine ganze Weile saßen sie stumm in der gemütlichen Stube. Auf dem Podest der Eckbank stand eine Fernsehlampe aus dem Glas einer Mainzer Firma, die vormals ihren Stammsitz in Jena hatte; Ludolf Friesel knipste gedankenlos den Strom an. Das warme Licht warf die Silhouette ihrer drei Köpfe übergroß an die gegenüberliegende Wand. Frau Friesel und der große Willi saßen ganz still, nur der Schattenriss des Sachsen führte ein gespenstisches Eigenleben, weil Ludolf nervös auf seinem Sitzkissen hin und her rutschte.
    „Man glaubt immer“, fing die mit einem Tablett eintretende Janine eine erneute Rede an, „es könnte alles unmöglich so weitergehen; aber der Globus dreht sich weiter. Und das Schlimmste dabei ist: wir alle machen mit, immer wieder in immer dem gleichen Trott...“
    „Vergiss mal deine Rede nicht“, unterbrach der große Willi, „aber die Luft ist so trocken, stimmt´s alter Sachse?“
    „Ja, aber an wem liegt´s denn?“ hackte Ludolf mit seiner hellen, immer fistelnden Stimme zu und nahm eine geöffnete Flasche Pils vom Tablett. Seine Augen glühten wie fiebrig, und auf seinen Wangen bildeten sich kreisrunde Flecke, die dunkelrot anliefen. „An uns selbst!“ Damit setzte er die Flasche an und trank sie in einem Zug halbleer. „Doch nur

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