Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)
zu geben, was allgemein Heiterkeit zu erregen wusste – bei einer einzigen Ausnahme: An Genevièves Naivität prallte alle Laszivität unbeeindruckt ab, zur großen Enttäuschung für Friederike, die sich einen pikanten Kitzel von der zu erwartenden Kopflosigkeit ihrer Nichte versprochen hatte. Doch durch die verschiedenen Weine, die ihr die Genossin aufgedrängt hatte, war Geneviève derart benebelt, dass sie nach dem Aufheben der Tafel durch die Gastgeberin das Angebot von Kaffee und Likör ausschlug und statt dessen die Bitte äußerte, nach Hause gehen zu dürfen, da sie todmüde sei.
Die Genossin erschrak. Dieses tumbe Ding ist doch zu unberechenbar, dachte sie; versteht bei Tisch nicht eine Pointe, auch wenn der Witz noch so deutlich ist! Und will jetzt davonlaufen, wo ich ihrethalben den ganzen Rummel doch erst arrangiert habe!
Sie schluckte ihren Ärger jedoch tapfer herunter, um zu schmeicheln: „Aber Darling, uns wegen einem winzigen Schwips im Stich zu lassen, kommt doch gar nicht in Frage! Das gibt sich nach einem starken Mokka. Du bleibst jetzt noch ein bisschen mit uns auf, ruhst bei der Musik von Carmen und hinterher schläfst du dich hier aus...“
Geneviève wurde stutzig bei den letzten Worten und spürte trotz ihrer Benommenheit instinktiv die Gefahr um sie herum; ein Schreck fuhr ihr in die Glieder, doch die Tante ließ keinen Widerspruch aufkommen.
„So, jetzt gehst du zur Toilette, um dich ein wenig frisch zu machen“, fuhr die Genossin fort, „dort findest du Eau de Cologne, das wird dich zur Besinnung bringen; der Mokka hernach weckt dann bestimmt deine Lebensgeister vollends, und Carmens Spiel auf dem Piano wird ein Übriges tun, nicht wahr, Darling?“
Als kurz darauf Geneviève die Toilette mit klarerem Kopf verließ, schrak sie heftig zusammen: An der Wand lehnte – als habe er nur auf sie gewartet – der blonde Warschauer und rauchte eine Zigarette mit Pappmundstück. Sie hatte Angst vor diesem Kerl; ein diabolisches Etwas ging von ihm aus, sein stechender Blick verursachte ihr Widerwillen und Abwehr und faszinierte sie dennoch zugleich auf eine völlig unerklärliche Weise; gleichwohl bemühte sie sich, kühl und unbefangen zu erscheinen. Sie wollte an ihm vorbei zur Tür des Salons schreiten, von wo bereits die Sonnenhymne von Rimsky-Korssakow zu hören war, als Poniatowski sich von der Wand abstieß, seine Zigarette fallen ließ, sie mit dem Fuß zu zerdrücken, der jungen Frau den Weg verstellte und nach Genevièves Mantel an der Garderobe griff.
„Pardon, schönste Frau, wenn Sie erlauben, ich Sie bringe nach Hause. Habe ich Ihren Wunsch vernommen und dass die Genossin Friederike fortlassen sie nicht will. Ihr Wunsch sein mir Befehl!“ Damit hielt er ihr ihren Mantel hin.
Das kam so vollkommen überraschend und brachte sie in nicht geringe Verlegenheit; zu deutlich erkannte sie, dass dieser Kerl der Genossin damit nur einen Streich spielen wollte. Nur warum? Sie hatte im Moment keine Erklärung für sein Verhalten, und auch sein ritterliches, allzu hilfsbereites Anerbieten machte sie misstrauisch, so gern sie die Gelegenheit beim Schopf gepackt hätte, auf diese Weise der hintergründigen Gastfreundschaft der Tante zu entgehen. Sofort jedoch schob sie jeden schlechten Gedanken über Friederike von sich: Sie konnte der Genossin, von der sie soeben so reich beschenkt worden war, nicht so mir nichts, dir nichts ausreißen.
Boleslaw Poniatowski erfasste gleich ihre Unentschlossenheit und trachtete sie zu überrumpeln, indem er näher trat, ihr in den Mantel zu helfen. Wobei sie wiederum an seinem leichten Schwanken bemerkte, dass er schon ziemlich angetrunken war, was sie auf eine rettende Idee brachte.
„Entschuldigen Sie mich noch einen Moment“, flötete sie mit dem charmantesten Lächeln, „anstandshalber möchte ich doch der Gastgeberin Bescheid geben, dass ich wirklich zu müde bin, und mich bei dieser Gelegenheit von allen verabschieden.“ Damit wollte sie sich der Wohnzimmertür nähern, was der Warschauer zu verhindern wusste. Natürlich bedeutete es einen entscheidenden Fehler, Geneviève einfach den Weg zu vertreten; somit ließ er seine liebenswürdige Maske fallen. Doch er hatte sie selbstredend sogleich durchschaut, warf den Mantel auf einen Sessel und riss sie mit brutaler Gewalt an sich.
„Das dir könnte so passen, Zimperliese. Wenn Bogey will, du kommst mit! Bin ich fertig geworden mit ganz anderen...“
In ihrer Angst wehrte sie sich mit
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