Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
mit ausgestrecktem Finger gegen das Foto. „Da haben wir ja unser Mordopfer! Und wer sind die anderen?“ „Sehen Sie“, setzte die Frau Doktor fort, „das Mädchen auf dem Foto, das ist unser zweites Mordopfer, wir haben sie erst kürzlich identifizieren können und überhaupt herausgefunden, dass sie ermordet wurde. Wir haben es also mit zwei Morden zu tun, beide auf die gleiche Art ausgeführt, und beide im Dunstkreis der Herren, die Sie hier auf dem Foto sehen.“ Der Herr Major ächzte und Gasperlmaiers Gedanken schweiften ab. Er kannte die Geschichte ja bereits, über die die Frau Doktor den Herrn Major erst ins Bild setzen musste. Er beobachtete die Frau Magistra Langbauer, wie sie mit energischen, fast ein wenig aggressiv anmutenden Bewegungen ihre Sachen zusammenpackte. Ihre Strümpfe, so stellte er abermals fest, waren wirklich sehr bunt. Aber vielleicht musste das bei Kunsterzieherinnen so sein, damit man sie gleich erkannte und richtig einordnen konnte. Gasperlmaier erinnerte sich, dass man zu seiner Zeit die Physiklehrer immer gleich an ihren weißen Mänteln erkannt hatte, die Turnlehrer am Trainingsanzug, und Mathematiklehrer konnte er sich nur mit Riesenzirkeln und Geodreiecken unterm Arm vorstellen.
„Und deswegen würde ich mich freuen, wenn Sie die Befragung des Herrn Magister Loisenhammer übernehmen würden, denn wir müssen dringend zu einem Termin nach Aussee.“ Die Frau Doktor hatte offenbar gerade ihre Erläuterungen beendet. „Brauchen Sie mich noch?“ Die Frau Magistra Langbauer stand mit gepackter Tasche und einer riesigen Kartonrolle in der anderen Hand bereits vor der Tür.
Der Major schüttelte den Kopf, ohne den Blick zur Frau Doktor anzuheben. Er war gerade dabei, die weiße Büroklammer in eine völlig neue, ungewohnte Form zu biegen. Jemand klopfte an der Tür. Mit einem Kopfnicken bedeutete die Frau Doktor Gasperlmaier, zu öffnen. Als die Tür nach außen aufschwang, stand ihm die Maggie Schablinger gegenüber, an der sich die Frau Magistra grußlos vorbei nach draußen drängte. Diesmal war die Maggie nicht allein. Hinter ihr stand eine blonde Frau, die ihre Kamera schon auf Gasperlmaier gerichtet hatte und abdrückte.
15
„Die Maggie“, meinte Gasperlmaier, als sie wieder im Auto saßen, „die geht mir schön langsam gewaltig auf die Nerven.“ Die Frau Doktor nickte. „Regen Sie sich am besten gar nicht auf, Gasperlmaier. Es hilft sowieso nichts. Und dass sie Sie heute fotografieren hat lassen, das ist reine Provokation. Mit den Fotos kann sie nichts anfangen, die wollte Sie wieder bloß reizen. Gut, dass Sie ruhig geblieben sind.“ Ruhig war gut, dachte Gasperlmaier bei sich. Er hatte ohne lange nachzudenken die Tür wieder zuschlagen wollen, als ihn das Blitzlicht geblendet hatte. Leider hatte die Maggie den Fuß schon in den Türspalt gestellt gehabt, und es hatte eine unschöne Szene mit Schmerzensschreien und Klagsdrohungen gegeben, bevor es Gasperlmaier und der Frau Doktor gelungen war, aus der Schule zu entkommen. Den Major Hinterholzer hatten sie mit der Maggie und ihrer Fotografin seinem Schicksal überlassen. Wobei Gasperlmaier sicher war, dass der in seiner gelassenen, fast schläfrigen Art mit ihr leicht fertigwerden würde. „Haben Sie heute eigentlich schon eine Schilling-Zeitung gesehen?“, frage Gasperlmaier. Die Frau Doktor schüttelte den Kopf. „Das erspar ich mir, wenn möglich. Es wäre ohnehin nicht gut, sich in seinen Ermittlungen vom geifernden Sensationsjournalismus der Boulevardpresse manipulieren zu lassen.“ Gasperlmaier waren das zu viele Fremdwörter auf einmal gewesen, er hatte der Frau Doktor nicht ganz folgen können, verzichtete aber darauf, nachzufragen. Er selbst hatte die Zeitung zwar aus seinem Haushalt verbannt, konnte aber selten widerstehen, einen Blick hineinzuwerfen, wenn eine im Wirtshaus oder sonst wo herumlag. Fühlte er sich unbeobachtet, blieb sein Blick gelegentlich länger auf dem leicht bekleideten Mädchen auf Seite fünf hängen, länger, als das der Christine lieb gewesen wäre. „Ja, Gasperlmaier. So, wie ich das sehe, haben wir jetzt die Auswahl zwischen vier Verdächtigen, die alle beide Opfer gekannt haben. Auch, wenn einer von ihnen schon tot ist. Halt, stimmt nicht: Der Herr Magister Eisel, von dem wissen wir bis jetzt nichts von einer näheren Bekanntschaft mit der Sandra Märzendorfer. Aber es ist ja nicht auszuschließen, dass auch er an den fröhlichen Runden in der Vinothek gelegentlich
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