Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
entstand eine Pause.
„Wie war denn der Herr Direktor so?“, mischte sich die Frau Doktor ein. Die Frau Magistra zuckte die Schultern. „Wie soll er schon gewesen sein? Wenig Verständnis für Kunst, zum Beispiel. Jedes Jahr das Gleiche: Wenn es darum ging, das Schulprofil zu schärfen, ist er immer dafür eingetreten, den Kunstunterricht zu kürzen. Weil ja alles andere viel wichtiger ist.“ Die Frau Magistra klang jetzt ein wenig gehässig, fand Gasperlmaier. Er fragte sich, ob das wohl als Mordmotiv ausreichte, dass einem eine Zeichenstunde gestrichen wurde. Und diese Chaoten von der zweiten Klasse, da war er sich sicher, die hätten es wohl gar nicht gemerkt, wenn die Frau Professor für zwei Minuten verschwunden wäre. Unter einem geschärften Schulprofil allerdings konnte er sich rein gar nichts vorstellen. Er nahm sich vor, die Christine danach zu fragen, wenn er heimkam. „Und wenn Sie mich fragen, ich hab ihn ein wenig schmierig gefunden, auch wenn ich mich dadurch vielleicht verdächtig mache“, fügte die Frau Magistra hinzu. Der Major Hinterholzer beugte sich vor. „Verdächtig, Frau Magistra, machen Sie sich nur, wenn Sie mir glaubhaft machen können, dass die 2a es nicht gemerkt hätte, wenn Sie für zwei Minuten verschwunden wären und anschließend mit rauchendem Colt wieder in der Klasse aufgetaucht wären.“ Der Major Hinterholzer grinste, und Gasperlmaier bemerkte erstaunt, dass es ihm gelungen war, auch der Frau Magistra ein Lächeln zu entlocken. Die Frau Doktor hatte, wie Gasperlmaier bemerkte, die Augenbrauen hochgezogen. „Was meinen Sie denn genau mit schmierig?“ Gasperlmaier erinnerte sich an die etwas peinliche Szene, als der Herr Direktor der Frau Doktor die Hand geküsst hatte. Die Frau Magistra seufzte. „Das ist etwas, das man mehr spürt, als dass es in konkrete Handlungen mündet“, meinte sie schließlich. „Sie als Frau müssten das doch verstehen. Oberflächliche Komplimente, begütigendes Verhalten, man kam sich bei ihm als Frau nicht ganz ernst genommen vor. Wenn eine Frau ihren Standpunkt verteidigte, war sie für ihn nur hysterisch. Ein Macho halt, aber im grauen Anzug. Zum echten Macho hat ihm wohl einiges gefehlt – Muskeln, Sportwagen, Sonnenbrille, zum Beispiel. Ein Funktionärstyp.“ „Hat der Herr Direktor eigentlich Familie gehabt?“, fragte die Frau Doktor. Die Frau Magistra schüttelte den Kopf. „Derzeit nicht. Er ist schon länger geschieden, glaube ich, und es gibt da eine erwachsene Tochter, die im Ausland lebt. Da müssen Sie Kollegen fragen, die schon länger da sind, wenn Sie Genaueres wissen wollen.“ „Hat er versucht, im Kollegium Beziehungen anzuknüpfen, ich meine, war er hinter Frauen her?“ Die Frau Doktor beugte sich vor und stützte ihre Hände auf der Tischplatte ab. Die Frau Magistra zuckte mit den Schultern. „Bei mir hat er’s nie probiert. Aber Gerüchte gibt’s immer, wenn einer keine Frau hat. Übrigens auch, wenn er eine hat.“ Bei der Frau Magistra, so dachte Gasperlmaier bei sich, hätte er es auch nicht probiert, die war ihm einfach zu mager. Und auch ein bisschen zu scharf in der Ausdrucksweise. Aber da waren die Geschmäcker, wie er selbst wusste, durchaus verschieden. So hatte er den Kahlß Friedrich schon mehrmals dabei ertappt, wie er gerade so mageren Frauen, wie die Frau Magistra Langbauer eine war, sehnsüchtig nachgeschaut hatte. Vielleicht war das mehr psychologisch. Dass sich nämlich der Friedrich, eingesperrt in einem riesenhaften, mächtigen Leib, nach etwas Zartem, nahezu Durchscheinendem sehnte.
Die Frau Doktor sah auf die Uhr. „Gasperlmaier, wir müssen jetzt. Wir können die Frau Magister Zettel nicht noch einmal versetzen, und wir müssen schließlich den drei Herren von dem Foto …“ Gasperlmaier streckte ihr Daumen und Zeigefinger entgegen. „Zwei!“, sagte er, mit der anderen Hand auf die Blutlache deutend. Die Frau Doktor grinste. „Scharfsinnig, Gasperlmaier! Zwei also!“ Sie kramte das schon leicht zerknitterte Foto aus der Vinothek aus ihrer Handtasche und zeigte es dem Major Hinterholzer. „Sehen Sie, Herr Kollege. Dieses Foto. Wir haben es uns eben in einer Weinhandlung in Gmunden ausdrucken lassen.“ Sie hielt dem Major Hinterholzer das Foto hin. Der nestelte eine Brille aus seiner Brusttasche, platzierte sie weit unten auf seiner durchaus ausladenden Nase und hielt das Foto knapp davor. Bevor die Frau Doktor noch weitersprechen konnte, pfiff er durch die Zähne und klopfte
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