Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
Zeitabstände voneinander getrennt, dazu dienten, Widersprüche zu provozieren, wo man dann einhaken konnte. Der Major Hinterholzer hatte bereits einen einigermaßen bequemen Stuhl erspäht und sich hineinfallen lassen. Der Bürostuhl ächzte bedrohlich. „Das ist die Frau Doktor Kohlross vom Bezirkspolizeikommando Liezen“, stellte der Major Hinterholzer vor. „Kollege Gasperlmaier. Und das ist die Frau Magister Langbauer.“ Gasperlmaier nickte kurz und ließ seine Blicke durch das geräumige Konferenzzimmer schweifen. Auf den Tischen türmten sich Bücher- und Heftstapel, die Fensterbretter waren geradezu mit Material verrammelt, sodass mehrere der Fenster sicherlich nicht mehr geöffnet werden konnten. Als Feuerwehrmann hätte er dazu eine ganze Menge zu sagen gehabt. Ganze drei Computer mit mächtigen Röhrenbildschirmen, offenbar älteren Baujahrs, standen hinter dem Major Hinterholzer an der Wand. Gasperlmaier musterte die quadratischen Kästchen an der Wand, von denen jedes mit einem Namensschildchen versehen war. Sie erinnerten Gasperlmaier an die Schließfächer, in denen man im Schwimmbad seine Sachen verstaute, bevor man ins Wasser ging. Nur, dass halt die Lehrer anscheinend mehr zum Arbeiten brauchten als eine Badehose. Die Turnlehrer vielleicht ausgenommen. Kein Wunder, dachte er bei sich, dass sich alles auf den Tischen stapelte.
„Frau Magister“, eröffnete der Major Hinterholzer nun die Befragung. „Magistra, wenn’s leicht geht!“, entgegnete die ein wenig spitz. Der Major Hinterholzer blieb völlig gelassen. „Selbstverständlich. Das also, Frau Magistra“, er deutete nochmals auf die Frau Doktor, „ist dann also die Frau Doktorin Kohlross vom Bezirkspolizeikommando in Liezen. Und was wir wissen möchten, ist Folgendes: Ihr Zeichensaal ist ja der einzige Raum, wo noch Unterricht war und von dem aus man einen Blick auf den Parkplatz hinaus hat. Und wir haben Sie noch nicht gefragt, ob Sie vielleicht da draußen irgendetwas Auffälliges bemerkt haben, etwa zu dem Zeitpunkt, als der Mord geschah. Also so um dreiviertel zwei.“ Die Frau Magistra lachte schrill auf. „Glauben Sie vielleicht, dass ich mich zum Fenster stelle und hinausschaue, während ich die 2a habe?“, gab sie zurück. „Soll ich Ihnen erzählen, was ich mache, wenn die 2a Zeichnen hat?“ Der Major Hinterholzer nickte. „Tun Sie das, bitte!“ Die Frau Magistra holte tief Luft. „Normalerweise muss ich zuerst den Kevin, den Marcel und noch drei, vier andere daran erinnern, dass sie zum Malen Farben brauchen und die auch aus ihren Zeichenschachteln herausholen müssen. Sobald der Kevin seine Farben heraußen hat, muss ich ihn daran hindern, seine Nachbarn damit anzumalen. Heute hat er sich die Katharina vorgenommen. Dann beschwert sich der Nächste, dass ihm der Patrick Farbe auf die Zeichnung gekleckst hat, und kaum gehe ich zu ihm hin, bricht hinter mir das Chaos aus, weil einer einem Mädchen Wasser in den Nacken geschüttet hat!“ Die Frau Magistra, so fand Gasperlmaier, klang einigermaßen erregt. „Glauben Sie wirklich, dass ich da Zeit habe, beim Fenster hinauszuschauen?“ Gasperlmaier beneidete die Frau Magistra nicht. Bei ihm war es zwar auch so, dass nur wenige Menschen den Polizisten den ihnen gebührenden Respekt entgegenbrachten, nur musste er sich normalerweise eben nur mit einem Übeltäter auseinandersetzen und wurde nicht mit einem ganzen Rudel davon allein gelassen, dem noch dazu gefährliche Gegenstände zur Verfügung standen. Dabei hatte sich Gasperlmaier gerade das Leben einer Zeichenlehrerin so beschaulich vorgestellt: Man sagte beispielsweise den Kindern, sie sollten einen Bauernhof malen, mit allem Drum und Dran, und dann setzte man sich hin, las ein wenig Zeitung oder ging durch die Reihen und erklärte dem einen, dass ein Schwein nur vier Beine hatte, die alle nach unten zeigten, wenn es stand, oder dem anderen, dass die Haustür bis zum Boden reichen musste, damit die Bauersleute durch dieselbe auch heraus- und wieder hineingelangten.
„Wir glauben grundsätzlich gar nichts“, erwiderte der Major Hinterholzer bedächtig, während die Frau Doktor, wie Gasperlmaier feststellte, unruhig ihr Gewicht vom einen auf den anderen Fuß verlagerte. „Das Glauben, das überlassen wir den Pfarrern, den Rabbis und den Mullahs, oder wem auch immer. Wir ermitteln Tatsachen. Und uns genügt es völlig, wenn Sie uns erklären, dass Sie auf dem Parkplatz nichts Bemerkenswertes gesehen haben.“ Es
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