Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
Tee?“ Die Frau Doktor lächelte Gasperlmaier an, dass dem ganz warm ums Herz wurde. Er machte sich auf, eine neue Tasse zuzubereiten, während sich der Friedrich an seinen Schreibtisch zurückzog.
„Frau Märzendorfer, kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, begann die Frau Doktor. Anscheinend, so dachte Gasperlmaier bei sich, hatte sie vom Friedrich die wesentlichsten Informationen bekommen, sonst hätte sie ihr Gespräch nicht so angefangen. „Mir kann niemand helfen.“ Mit leerem Blick starrte die Frau Märzendorfer irgendwo hinter der Frau Doktor an die Wand. Gasperlmaier setzte sich neben die Frau Doktor und schob ihr den Tee hin. Erst jetzt stellte er fest, dass ein Weihnachtsmannmotiv die Tasse zierte. Hoffentlich nahm ihm die Frau Doktor das nicht übel. „Frau Märzendorfer, ich muss Sie das jetzt leider fragen: Woher wissen Sie, dass Ihr Mann die Sandra getötet hat?“ Lange sagte die Frau Märzendorfer nichts, und die Frau Doktor rührte in ihrem Tee. „Wer soll es denn sonst gewesen sein?“, antwortete sie endlich. Die Frau Doktor nahm einen Schluck und blickte Gasperlmaier an. „Haben Sie ein bisschen Zucker?“ Gasperlmaier stand auf und fragte sich, warum sie zuerst gerührt hatte, obwohl noch gar kein Zucker im Tee gewesen war. Vielleicht gehörte das zu ihrer psychologischen Taktik. „Wissen Sie, wann genau Ihr Mann mit Ihrer Tochter nach Altaussee gefahren ist, auf den Loser?“ Die Frau Märzendorfer schüttelte nur den Kopf. Die Frau Doktor wartete. „Hat er Ihnen vielleicht die Tat gestanden?“ Wieder schüttelte die Frau Märzendorfer den Kopf, und Gasperlmaier befürchtete schon, aus ihr werde gar nichts mehr herauszubringen sein. „Ich hab es ihm auf den Kopf zugesagt!“, schrie die Frau Märzendorfer so plötzlich, dass Gasperlmaier erschrocken zurückfuhr. „Und er hat mich nur ausgelacht!“ Wieder schlug die Frau Märzendorfer die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen. Die Frau Doktor wartete geduldig, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte. „Frau Märzendorfer“, sagte sie dann, „warum sind Sie heute eigentlich zur Polizei gegangen? Warum sind Sie hier bei uns?“ „Weil ihr ihn einsperren sollt! Und mich auch, weil ich’s zugelassen hab!“ Die Frau Doktor schaute etwas verblüfft und fragte nach: „Was zugelassen?“ „Dass er sie schlägt. Und Sachen macht. Mich hat er ja nicht mehr angeschaut.“ Davon hatte die Frau Doktor offensichtlich noch nichts gehört, denn sie warf Gasperlmaier einen erstaunten Blick zu. „Frau Märzendorfer – Sie müssen uns genauere Angaben machen, was Sie Ihrem Mann vorwerfen – sonst können wir nichts gegen ihn tun. Verstehen Sie das?“ Die Frau Märzendorfer blickte bloß in ihren Schoß und sagte schließlich: „Dann geh ich jetzt.“ Schon war sie aufgestanden und hetzte zur Tür, in einem Tempo, das Gasperlmaier der in sich versunken scheinenden Frau niemals zugetraut hätte. Er sprang auf, schnitt ihr den Weg ab und hielt die Türschnalle fest, noch bevor die Frau Märzendorfer sie erreichen konnte. Sie stieß gegen ihn. „Sie können nicht so einfach gehen, Frau Märzendorfer!“, keuchte er. „Erinnern Sie sich nicht? Sie haben gesagt, Sie können nicht mehr heim und wollen sich vor den Zug werfen! Da können wir Sie doch nicht einfach allein lassen!“ Ohne viel Widerstand zu leisten, ließ sich die Frau Märzendorfer zurück zu ihrem Sessel führen. Die Frau Doktor führte den Daumen ans Ohr und den kleinen Finger vor den Mund und malte ein Kreuz in die Luft. Gasperlmaier verstand, dass er die Rettung oder den Notarzt rufen sollte. Er nickte der Frau Doktor zu und verließ das Büro. Gott sei Dank, dachte er nach dem Telefongespräch, hatte er nicht darauf vergessen, dem Rettungsfahrer zu sagen, dass er ohne Folgetonhorn fahren sollte. Das würde die Frau Märzendorfer nur unnötig erschrecken, fürchtete er.
Drinnen stellte er fest, dass die Frau Doktor die Frau Märzendorfer schon vorbereitethatte: „Glauben Sie mir, dort sind Sie sicher, und dort wird man sich auch um Sie kümmern. Sie brauchen jetzt einfach auch medizinische Betreuung, damit Sie wieder auf die Füße kommen. Wir passen auch auf Sie auf!“ Gasperlmaier konnte nicht feststellen, ob die Frau Märzendorfer überhaupt reagierte. Er war felsenfest davon überzeugt, dass sie ihre Drohung wahrgemacht hätte, wenn sie sie gehen lassen hätten. Was hatte die Frau noch zu verlieren? Die Tochter lange tot, zum Mann konnte sie nicht mehr zurück,
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