Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
gebrochenen Auge, das Gasperlmaier sah, direkt auf seinen Fuß. Gasperlmaier graute, dennoch musste er zugreifen, der Friedrich hatte die Leiche schon an der Hüfte gepackt. Gasperlmaier griff, immer noch zögerlich, nach der Schulter des Toten und hob sie schließlich vorsichtig an, doch der Körper wollte sich nicht rühren. Schließlich zog der Friedrich fester an, und der Magister Eisel fiel fast ohne Gasperlmaiers Zutun auf den Rücken. Gasperlmaier zuckte zurück. An der rechten Stirnseite des toten Lehrers klaffte ein blutrotes Loch mit dunklen Rändern. „Sieht mir nach Selbstmord aus!“, meinte die Frau Doktor. „Schauen wir mal nach, was er so bei sich hat.“ Sie zog Latexhandschuhe aus ihrer Handtasche, beugte sich über den Toten und öffnete den Reißverschluss seiner roten Jacke. Sie suchte die Innenseiten nach einer Tasche ab, fand aber nichts und machte sich über die Reißverschlusstaschen auf der Außenseite der Jacke her. Aus einer zog sie schließlich einen zusammengefalteten Zettel. „Jetzt wird interessant!“, sagte der Bohuslav, der sich neugierig hinter die Frau Doktor stellte, um besser sehen zu können. Gasperlmaier wunderte sich, dass sie ihn nicht wegschickte. „Der meine Frau getötet hat“, las die Frau Doktor vor, „hat seine gerechte Strafe bekommen. Aber ich will nicht ins Gefängnis gehen. Ich habe lang genug gelebt, mir war eh schon langweilig.“ Gasperlmaier konnte es nicht fassen, dass jemand solchen Galgenhumor aufbringen konnte, dass er sogar auf seinem Abschiedsbrief schlechte Witze hinterließ. Den Eindruck hatte der Magister Eisel auf Gasperlmaier gar nicht gemacht. Aber man konnte sich ja in Menschen gründlich täuschen.
„Das wär’s jetzt!“, meinte der Friedrich. „Jetzt ist die Sache ausgestanden und erledigt. Aber umbringen hätt er sich ja nicht gleich müssen.“ Gasperlmaier wandte sich um und begann, den Hang wieder hinaufzuklettern. Was gar nicht so leicht war, denn das Geröll gab leicht nach, sodass er immer wieder zurückrutschte. Ein Idealfall, so dachte er bei sich, für die Gerichte. Kein Angeklagter, kein Verfahren, keine Rechtsanwälte, keine Kosten. Dennoch war der Fall gelöst. Leider hatte er sich da aber getäuscht.
„Nicht so schnell, meine Herren!“, rief sie die Frau Doktor zurück. „Erstens ist es nicht gesagt, dass der Magister Eisel wirklich recht hat – wenn er meint, dass der Schuldirektor seine Frau umgebracht hat, dann muss das ja nicht wirklich so sein. Zweitens möchte ich mir die Leiche schon noch ein bisschen genauer anschauen.“ Gasperlmaier seufzte und drehte wieder um, während die Frau Doktor sich die Schusswunde am Kopf des Magister Eisel noch einmal genauer besah. Gasperlmaier hatte keinerlei Verlangen, es ihr gleichzutun, und setzte sich auf den Schotter. Jetzt drehte die Frau Doktor sogar den Kopf des Opfers herum, soweit dies möglich war. „Es gibt keine Austrittswunde. Könnte durchaus die Waffe sein, mit der auch der Direktor erschossen worden ist. Für Details müssen wir natürlich die kriminaltechnische Untersuchung abwarten.“ Die Frau Doktor ließ den Kopf des Magister Eisel wieder los und beugte sich über die Waffe, ohne sie zu berühren. „Eine Beretta Bobcat, Kaliber sechs fünfunddreißig. Nicht sehr durchschlagskräftig. Passt zur Wunde, keine Frage.“ Gasperlmaier hatte eine Idee. „Sie meinen also nicht“, fragte er, „dass hier noch jemand anderer seine Finger im Spiel hatte? Ich meine, der Abschiedsbrief könnte doch auch gefälscht sein. Er klingt irgendwie komisch, gar nicht so, wie ich mir den Mann da vorstelle.“ Die Frau Doktor nickte anerkennend. „Scharfsinnig gedacht, Gasperlmaier. Man muss immer alle Eventualitäten im Auge behalten. Dennoch“, sie zeigte auf den Kopf der Leiche, „glaube ich, dass er sich die Pistole selber an den Kopf gesetzt und abgedrückt hat. Ich habe schon viele Schusswunden gesehen, aus allen Entfernungen, und das schaut eindeutig wie ein aufgesetzter Schuss aus dieser Waffe da aus.“ Die Frau Doktor zog ihre Handschuhe aus, sah sich um, ob es eine Möglichkeit gab, sich ihrer zu entledigen, zuckte schließlich mit den Schultern und behielt sie in der Hand. „Wir gehen wieder hinauf, meine Herren!“ Kaum hatte sich die Frau Doktor zum Gehen gewandt, rutschte sie auch schon aus und fiel auf die Knie. Gasperlmaier beeilte sich, ihr die Hand hinzustrecken, und befürchtete schon, er werde sich wieder eine Schelte einhandeln – weil ja, wie er
Weitere Kostenlose Bücher