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Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)

Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)

Titel: Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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Gasperlmaier daran dachte, wie man aussah, wenn man in so einen Abgrund hinuntergeschleudert worden war, wozu er ja heute bereits ausgiebig die Gelegenheit gehabt hatte, verkrampfte er, klammerte sich mit den Händen an die Felswand und wagte nicht, auch nur eine einzige Bewegung weiter nach unten oder gar nach oben zu vollführen. Ein heftiger Schwindel erfasste ihn, und jeden Moment meinte er, er werde stürzen. Bis ihm die Frau Doktor sanft auf die Schulter klopfte.
    „Gasperlmaier, ist Ihnen nicht gut? Da können Sie gar nicht hinunterfallen, da würden Sie höchstens zu meinen Füßen kollabieren. Weiter geht’s nicht.“ Wenn auch ihre Worte sein Gehirn nicht erreichten, so tat dies doch der beruhigende Tonfall. Gasperlmaier erfing sich langsam, entspannte sich, kletterte die wenigen Meter nach oben und stand neben dem Kastenhuber Kurt, der den Kopf schüttelte. „Das hättest uns sagen sollen, Gasperlmaier, dass du Höhenangst hast. Dann hätten wir dich nicht mit hier herauf genommen.“ Dafür, dachte Gasperlmaier, war es jetzt wohl zu spät. Er nahm sich vor, in Zukunft rechtzeitig über allfällige Hinderungsgründe bei gefährlichen Unternehmungen Bescheid zu geben, fragte sich aber gleichzeitig, wie es wohl jetzt weitergehen, und vor allem, wie er hier wieder hinunterkommen sollte.
    „Es ist nicht mehr weit“, ermutigte ihn der Kurt, „wir sind fast schon da.“ Tatsächlich blieb der Kurt nach weniger als fünfzig Schritten stehen. „Da haben wir die Knochen und den Schädel gefunden.“ Er deutete auf einen sich nach unten zu verjüngenden Spalt in einem Haufen ineinander verkeilter Felsplatten, über denen sich, so nahm Gasperlmaier erst jetzt wahr, fast überhängend die Loserwand erhob. Gleich wurde ihm wieder schwindlig und er beeilte sich, seine Blicke wieder zu seinen Schuhspitzen hinunter zu lenken, worauf ihm ein wenig wohler wurde. „Jetzt verstehe ich“, hörte er die Frau Doktor, „wie es möglich war, dass man die Leiche so lang nicht gefunden hat. Sie ist wahrscheinlich in einem dieser Hohlräume zwischen den Felsbrocken zu liegen gekommen?“ Der Kastenhuber Kurt nickte. Gasperlmaier ließ sich bauchwärts fallen, drehte sich vorsichtig um, ohne seine Blicke talwärts wandern zu lassen, und verkeilte seine Fersen sorgsam im Geröll. Um nichts in der Welt würde man ihn dazu bringen, nach irgendwelchen Resten der unglücklichen, womöglich vor Jahren hier verstorbenen Frau zu suchen. Er vergrub seine Blicke zwischen den Knien und wurde so nur mehr Ohrenzeuge dessen, was im Folgenden geschah. „Da!“, so der Kurt, „zwischen diesen beiden Brocken ist der Schädel gelegen, es war ein reiner Zufall, dass ich in den Spalt hineingeschaut habe. Hier kommt normalerweise niemand vorbei, keine Kletterroute berührt diese Stelle. Allerdings wundert mich, dass man sie nach dem Absturz nicht gefunden hat. Wenn man weiß, von wo sie gefallen ist, hätte man auch hier suchen müssen.“ „Möglicherweise hat man nicht gewusst, wo man suchen muss, so wie heute“, hörte Gasperlmaier nun die Frau Doktor. „Ingmar, bitte suchen Sie die Stelle ab, ob Sie noch irgendetwas finden.“ Ingmar, dachte Gasperlmaier bei sich, das war ein recht seltsamer und komisch klingender Name. Wer dem Ingmar den wohl verpasst haben mochte? Gasperlmaier erinnerte sich, dass es vor Jahrzehnten einmal einen großartigen schwedischen Skifahrer gegeben hatte, allerdings hatte der Ingemar geheißen, meinte er sich zu erinnern. Recht schweigsam war der gewesen, was Gasperlmaier aber nicht wunderte, wenn er an die dummen Fragen der Sportreporter dachte, die so ein Weltcupass nach jeder einzelnen Abfahrt im Ziel zu beantworten hatte. Da wäre Gasperlmaier auch schweigsam geblieben, ganz davon abgesehen, dass es ihm ohnehin unmöglich war, auf spontane Fragen zusammenhängende, sinnvolle Antworten zu geben. Das war Gasperlmaiers Sache nicht.
    „Ich hab was!“, freute sich der Ingmar. „Ein paar Knochensplitter. Und da, ein Hautfetzen mit Haaren dran!“ Der Ingmar stöhnte und seine Stimme klang ganz dumpf. Gasperlmaier vermutete, dass er kopfüber in dem Spalt steckte, der den Schädel so lange vor neugierigen Blicken verborgen hatte. Gasperlmaier mochte weder hinhören noch sich vorstellen, wie der Ingmar mit einer Zange seine Fundstücke in die Plastiksäcke beförderte, die für derlei Beweisstücke jederzeit und überall verfügbar zu sein hatten. „Kleidungsreste!“ Offenbar fand der Ingmar jetzt so viele

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