Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
sitzen, auf den die Frau Doktor rasch zusteuerte. Der Magister Loisenhammer staunte mit offenem Mund, als sie sich den Stuhl neben ihm schnappte. Gasperlmaier nahm den letzten freien am Tisch und setzte sich ebenfalls. „Laufen Sie mir weg, wenn ich Ihnen nicht gleich Handschellen anlege?“ Die Frau Doktor hatte fast geflüstert, dennoch dachte Gasperlmaier bei sich, dass ihr es wohl gelungen war, den Magister Loisenhammer zu überraschen. Der schnappte nämlich nur nach Luft und war, so fand Gasperlmaier, völlig verdattert. Bevor er sich noch zur Frage der Frau Doktor äußern konnte, trat der Kellner an ihren Tisch. „Ein Roastbeef- und ein Lachsbrötchen, der Herr. Und ein Seidel.“ Er stellte alles auf den Tisch. Gasperlmaier verspürte eine gewisse Leere in seinem Magen. Die Würstel vom Café Lewandofsky waren schließlich schon eine ganze Weile her. Er fragte sich, wie es sein konnte, dass er mit der Frau Doktor immer wieder in Lokalen landete, die nicht ganz seinem eigenen Geschmack entsprachen. Eine Essigwurst, so dachte er bei sich, wäre ihm selbst allemal lieber gewesen als die lackierten Brötchen, die der Magister Loisenhammer da vor sich stehen hatte. Obwohl, so schlecht sahen sie auch wieder nicht aus.
„Die Herrschaften?“ Der Kellner wandte sich an die Frau Doktor. „Einen Cappuccino“, bestellte die. Gasperlmaier war verunsichert. Sollte er nachfragen, ob außer Lachs und Roastbeef auch noch einfachere Speisen zur Verfügung standen? Sollte er sich ebenfalls ein Bier bestellen? Die Zeit war zu kurz, um die Überlegungen zu einem Abschluss zu bringen. „Auch!“, nickte Gasperlmaier daher dem Kellner zu, obwohl er eigentlich keine rechte Lust auf einen aufgeschäumten Milchkaffee verspürte.
„So!“ Die Frau Doktor grinste dem Magister Loisenhammer ins Gesicht. Der starrte ängstlich irgendwo gegen das Kinn der Frau Doktor und wagte die Augen nicht zu heben. „Haben Sie keinen Hunger mehr? Essen Sie doch! Trinken Sie doch!“ Fast grausam fand es Gasperlmaier, wie die Frau Doktor den armen Magister Loisenhammer zappeln ließ. Möglicherweise, so dachte er bei sich, hat ihn die Simone Eisel auch so zappeln lassen, und da hat ihn die Wut gepackt, und er hat sie die Felswand hinuntergeschmissen. Gleichzeitig verbat sich Gasperlmaier solche Gedankengänge. Wut hin oder her, wozu gab es schließlich eine Zivilisation und ein Hirn. Man konnte nicht jeder Gefühlsregung freien Lauf lassen. Schon gar nicht, wenn sie jemand anderen das Leben kostete. Der Magister Loisenhammer nahm einen Schluck von seinem Bier, mehr aus Gehorsam, wie es Gasperlmaier schien, als aus Gusto oder innerem Drang. Wiederum wurden sie unterbrochen, als der Kellner die bestellten Cappucini vor sie hinstellte. Gasperlmaier sah eine günstige Gelegenheit gekommen, fischte abermals eine Tablette aus seiner Jackentasche und nahm einen tiefen Schluck aus dem mitgelieferten Wasserglas. Danach versuchte er, die beiden Zuckerstücke in der Kaffeetasse unterzubringen. Was nicht einfach war, da der Milchschaum die Tasse bis über den Rand füllte. Als die Zuckerstücke langsam hinuntersanken, quoll der Schaum über den Rand der Tasse und floss langsam daran hinunter. Gasperlmaier sah ratlos zu.
„Wir waren also am Montag nicht auf einem Seminar, sondern am Loser.“ Die Frau Doktor grinste immer noch, hatte sich zurückgelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt. Der Magister Loisenhammer lief langsam rot an. „Ich … ich“, er räusperte sich, „ich war auf einem Seminar. In Traunkirchen. Im Hotel Post.“ Selbst Gasperlmaier konnte allein an der belegten Stimme klar erkennen, dass das gelogen war. Der Blick des Magister Loisenhammer irrte unstet herum, die Finger beider Hände hatte er ineinander verhakt und knetete unruhig daran herum. Die Frau Doktor schwieg und ließ ihm Zeit. Wie bei einem Fisch am Angelhaken, fand Gasperlmaier, da musste man auch von Zeit zu Zeit nachlassen und dem Fisch wieder mehr Leine geben, um ihn müde zu machen. Damit er nicht, solange er noch bei Kraft war, die Leine abriss. „Wenn wir das überprüfen würden, würde sich jemand an Sie erinnern?“ Der Magister Loisenhammer zuckte mit den Schultern. „Es gibt eine Anwesenheitsliste.“ „Auf der jemand anderer für Sie unterschrieben hat vielleicht?“ Die Frau Doktor gab sich so zuckersüß, dass selbst der Magister Loisenhammer, war er auch noch so unsensibel, merken musste, dass die Freundlichkeit nur vorgeschoben war. Die Frau
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