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Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi

Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi

Titel: Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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erteilen, verschränkte Gasperlmaier auch zum äußerlichen Zeichen seiner von nun an herrschenden Verschwiegenheit die Arme vor der Brust.
    „Da können S’ ja froh sein, dass ich hier heraufgefahren bin – bei dem Restalkohol, den Sie noch mit sich herumschleppen müssen.“ Nun lächelte die Frau Doktor, als hätte ihr Gasperlmaier ein besonders nettes Kompliment gemacht, der jedoch kam sich zur Rolle eines niedlichen, aber sonst wenig brauchbaren Haustiers herabgewürdigt vor.
    In diesem Moment – nach einem neuerlichen Stakkatoläuten der Frau Doktor Kohlross – hörte man plötzlich ein Geräusch aus dem Haus. Ein unwirsches „Ja, verdammt noch einmal!“ schien aus dem oberen Stockwerk herunterzuklingen. Ein Fenster links über Gasperlmaier öffnete sich und ein junger Mann mit nacktem Oberkörper und wirren, dunklen Haaren beugte sich daraus hervor, um zu sehen, wer da vor der Haustür stand.
    „Was issn los?“, nuschelte er mit zusammengekniffenen Augen, die das Licht der Sonne an diesem herr-lichen Montagmorgen noch nicht zu schätzen wussten, und Gasperlmaier zog den einzig möglichen Schluss: Auch der junge Herr da oben war der Faszination des Altausseer Bierzelts gestern Abend erlegen und hatte wohl ebenso lang wie ausgiebig dem Gösser-Bier zugesprochen.
    Die Frau Doktor zückte ihre Marke und verwies gleichzeitig auf die Unform Gasperlmaiers. „Kriminalpolizei. Machen Sie bitte die Tür auf.“
    Der junge Mann zögerte. „Kriminalpolizei? Hören Sie, ich bin nicht g’fahren! Wenn das jemand behaupt’, dann ...“
    „Mich interessiert momentan nicht, wer wann wohin gefahren ist“, unterbrach ihn die Frau Doktor Kohlross. „Bitte öffnen Sie die Tür. Ich habe eine wesentliche Mitteilung für die Gattin des Herrn Doktor Naglreiter und vielleicht auch für Sie, wenn Sie zur Familie gehören.“
    Verwirrt nickte der junge Mann und sein Oberkörper zog sich aus dem Fenster zurück. Frau Doktor Kohlross grinste Gasperlmaier an. „Und wenn sich heute herausstellen sollte, dass es irgendeinen ungeklärten Sachschaden oder Unfall mit Fahrerflucht gegeben hat, dann würde ich mir diesen jungen Mann später noch genauer anschauen.“
    Drinnen hörte man nackte Füße auf Holzstufen klatschen und sich die Treppe herunter nähern, und nach kurzem Schlüsselgeschepper öffnete sich die Tür. Der junge Mann überragte Gasperlmaier um einen halben Kopf und trug nun ein schwarzes T-Shirt mit einem Drachenkopf darauf sowie eine ausgebeulte, blau geblümte Pyjamahose.
    „Bitte!“ Mit einer entsprechenden Geste bedeutete er den beiden Polizeibeamten einzutreten, machte aber drinnen keinerlei Anstalten, sie weiter als bis ins Vorhaus vordringen zu lassen.
    „Herr Naglreiter, nehme ich an?“, leitete Frau Doktor Kohlross die Unterhaltung ein, der junge Mann aber nickte nur mit verschwollenen Augen: „Stefan Naglreiter. Der Sohn.“ Gasperlmaier ließ seine Blicke umherschweifen. Sehr groß war das Vorhaus nicht, wie es ja dem Baustil hier entsprach. Die übrigen Gemeinsamkeiten mit Häusern, die er kannte, hielten sich aber in Grenzen. Der Boden war von rotbraunen, recht unebenen Keramikkacheln bedeckt, und an den Wänden hingen richtige, gemalte Bilder, auf denen offenbar Familienmitglieder zu sehen waren. Auf einem meinte Gasperlmaier den Kopf eines Buben zu erkennen, der dem Stefan Naglreiter ähnlich war. Daneben befand sich ein blonder Mädchenkopf.
    „Könnten wir bitte die Frau Naglreiter, also Ihre Mutter, sprechen?“
    „Ich weiß nicht, wenn sie die Tür nicht aufg’macht hat?“ Stefan ließ den Satz ausklingen, als wolle er damit andeuten, dass seine Mutter möglicherweise nicht im Haus sei. Gasperlmaier zuckte innerlich zusammen, weil ihm der Tonfall, in dem der junge Mann antwortete, die Gänsehaut über den Rücken laufen ließ. Es war diese typische Sprechweise des Wiener Bürgertums, die man jetzt immer häufiger auch im Fernsehen hören konnte, wenn Wiener Jugendliche zu Wort kamen. Die Christine nannte es „Simma-gangen-hamma-gmacht-Soziolekt“ und behauptete, es sei weder Hochsprache noch Dialekt, sondern sprachlicher Ausdruck einer völligen kulturellen Entwurzelung. Es war ja sogar schon so weit, dass die Kinder selbst in Aussee von „einer Cola“ sprachen, wenn sie glaubten, sich fein ausdrücken zu müssen. Und in Wien, hatte Gasperlmaier kürzlich in der Zeitung gelesen, bekamen achtzig Prozent der Kinder keinen Fünfer mehr, sondern eine Fünf.
    Frau Doktor Kohlross

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