Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
zustimmendes Nicken seinerseits genügte.
„Glaubst du wirklich, Friedrich, dass der Marcel drei Leute umgebracht hat? So wie der heute wie ein Häufchen Elend in der Plätte gesessen ist? Kannst du dir das vorstellen?“ Die Jasmin stellte dem Friedrich eine neue Halbe hin, und sofort genehmigte sich der einen kräftigen Zug, bevor er antwortete. „Ich kann’s nicht sagen. Ich glaub, jeder kann wen umbringen. Und weißt eh: Wenn dann einmal eine Grenze überschritten ist, dann geht’s munter weiter, da fallen dann die Hemmungen!“ Gasperlmaier gab nicht auf: „Aber wie wir gestern bei ihm waren, der kann sich doch nicht einfach nach zwei Morden mit der Ines ins Bett legen und so tun, als wäre nichts geschehen!“ „Deiner Meinung nach“, der Friedrich strich sich mit dem Handrücken über die Oberlippe, um den Bierschaum zu entfernen, der sich dort abgesetzt hatte, „ist es also ein Alibi, wenn einer mit einer Frau nach dem Kirtag ins Bett hüpft. Da kann er vorher kein Verbrechen begangen haben.“ Das, musste Gasperlmaier gelten lassen, war ein Argument. Letztlich, dachte er, kannst du in einen Menschen nicht hineinschauen. Dennoch nagte der Zweifel weiter in ihm, denn ein solch platter Gemeinplatz genügte ihm als Erklärung lang noch nicht.
Als Gasperlmaiers Essigwurst kam und er das erste Wurstradl mit der dazugehörigen Zwiebel und einem Bissen Brot abrundete, ließ sich plötzlich der Pfarrer Ainhirn neben den Friedrich auf die Bank plumpsen. „Na, ihr zwei Helden, immer noch nichts gelernt? Immer noch Bier saufen statt Mörder jagen? Hat euch die heutige Zeitung nicht genügt?“ Dem Gasperlmaier blieb fast der Bissen im Hals stecken. Gerade noch konnte er ihn hinunterschlucken, die Gewalt, die er dabei seiner Speiseröhre und seinem Magen antat, entlud sich aber in einem heftigen Hustenanfall, der ihm die Tränen in die Augen trieb. Meinte der Pfarrer jetzt dafür Rache nehmen zu müssen, dass Gasperlmaier nur bei offiziellen Anlässen in der Kirche zu sehen war und sein Sohn, wie der Pfarrer leider erfahren hatte, sich vom Religionsunterricht abgemeldet hatte?
Der Friedrich blieb äußerlich ruhig und antwortete dem Pfarrer gelassen. „Weißt was, Pfarrer, wir sind heute bald zwölf Stunden auf den Beinen. Und wie und wann wir Mörder jagen, das kannst ruhig unsere Sache sein lassen. Wir kriegen den Mörder schon, früher oder später. Und essen und trinken dürfen wir auch, meinst nicht? Sogar ein Pfarrer darf das, auch wenn er viel besser daran täte, sich mehr um seine Schäflein zu kümmern. Und an deiner Stelle tät’ ich die Goschen nicht zu weit aufreißen, wenn ich meine schmutzigen Griffel ständig unterm Rock der Pfarrassistentin hab.“ Nicht einmal die Stimme hatte der Friedrich während seiner Rede gehoben. Jetzt nahm er bedächtig einen weiteren, großen Schluck, der unmittelbar zum kurzen Anheben des Glases, verbunden mit einem Blickkontakt zur Kellnerin, führte. Der Pfarrer war indessen rot angelaufen. Anstatt dem Friedrich aber mit einer Beleidigung zu antworten und die Situation eskalieren zu lassen, atmete er ein paarmal kräftig und tief durch, worauf sein Gesicht zu-nächst rosarot wurde und bald danach seine natürliche Färbung zurückgewann. Gott sei Dank, dachte Gasperlmaier, das hätt’s jetzt noch gebraucht, dass sich die Polizei hier ein Schreiduell oder gar eine Prügelei mit dem Pfarrer anfing. Allerdings, so fand Gasperlmaier schnell heraus, war es nicht Einsicht, sondern Neugier, die den Ainhirn zum Einlenken bewogen hatte.
„Ihr habt’s am Ende den Mörder schon? Den Gaisrucker Marcel habt’s verhaftet, hört man?“ Gasperlmaier überließ seinem Vorgesetzten die Antwort. „Verhaftet, Ainhirn, haben wir gar keinen, weil dazu braucht’s einen Haftbefehl. Wir haben höchstens wen vorläufig festgenommen. Sonst kann ich dir nichts sagen.“ „Trotzdem!“, bohrte der Pfarrer weiter, „da werden drei Leute ermordet, da lädt sich jemand Todsünden auf, und man sieht nur euch drei herumspazieren und auf dem See herumfahren. Wäre da nicht ein Sonderaufgebot, ein Einsatzkommando nötig, sollten nicht ganze Scharen von Einsatzkräften ausschwärmen, damit man des Verbrechers habhaft wird?“
Der Friedrich ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Gerade war sein Schweinsbraten serviert worden. Leider hatte sich die Jasmin noch nicht abgewöhnen können, ihn als Schweinebraten zu bezeichnen, so wie sie hartnäckig die Salzstangerl als Stangen bezeichnete. Aber
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