Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
das wurde ihr aufgrund ihrer sonstigen Qualitäten gern nachgesehen. Das werde sich geben, hoffte man allgemein, wenn die Jasmin nur lang genug hierblieb.
„Wir werden den Mörder schon kriegen, Ainhirn!“, blieb der Friedrich gelassen, als er das erste Stück Schweinsbraten gemächlich gekaut und geschluckt hatte. Gleich spülte er mit einem Schluck Bier nach. Ein kurzes Hochhalten des wiederum nahezu leeren Glases genügte, um der Jasmin, die drei Tische weiter gerade abräumte, ein fröhliches „Kömmt schön!“ zu entlocken.
Gasperlmaier sah zu, dass er seine Essigwurst hinunterbrachte, auf ein weiteres Bier hatte er keine Lust mehr, als er feststellte, dass die Gäste an den anderen Tischen bereits hellhörig geworden waren und zu ihrem Tisch herüberglotzten, an dem der Pfarrer immer noch stichelte und ihnen bei ihrer Mahlzeit einfach keine Ruhe lassen wollte. Fehlt nur noch, dachte Gasperlmaier, dass jetzt wieder die Reporter auftauchen, die uns schon bei der Seewiese hinten genervt haben. Irgendwo und irgendwann mussten die ja auch einkehren. Den letzten Schluck Bier hinuntergießend, sprang Gasperlmaier auf, von Ängsten und schlechtem Gewissen getrieben, verabschiedete sich mit einem unverständlichen Gemurmel vom Kahlß Friedrich und rief der Jasmin zu, dass sie seine Zeche aufschreiben solle.
Von durchaus unangenehmen Gefühlen duchdrungen fand sich Gasperlmaier auf der Straße wieder. Heiß war ihm, und müde war er, und vor der abendlichen Fernsehsendung hatte er Angst, und überhaupt. Dass er immer noch nicht dazugekommen war, in den Hotels der Umgebung nach eventuell dort abgestiegenen Russen zu fragen, machte seine Lage auch nicht gerade angenehmer. Allerdings, mutmaßte Gasperlmaier, dass die Frau Doktor jetzt auf diese Information überhaupt noch Wert legte, wo doch der Marcel festgenommen war, das durfte als ungewiss gelten. Er nahm sich vor, diesbezüglich auf einen neuerlichen Befehl zu warten.
Zu Hause zog sich Gasperlmaier seine durchschwitzte Polizeiuniform aus, suchte sich eine Badehose aus dem Schrank heraus und machte sich auf den Weg ins Bad. Zuerst, dachte er sich, dusche ich einmal, und dann setze ich mich auf die Terrasse und trinke mein zweites, wohlverdientes Bier, und dann denke ich bis morgen nicht mehr an die ganze Mordgeschichte.
Komisch, dachte er, als er sich der Badezimmertür näherte, da rauscht doch das Wasser? Hatte am Ende jemand vergessen, den Duschhahn zuzudrehen? Zuzutrauen war es seinen Kindern ja, es gab kein Licht, das sie nicht brennen ließen, und kein Gerät, das man auszuschalten vergaß. Einen Sinn fürs Strom- und Geldsparen schienen die Jungen heutzutage nicht zu haben. Von Interesse an der Umwelt keine Spur, dachte Gasperlmaier. Als er die Badezimmertür öffnete, sah er, dass inmitten von heftigen Dampfschwaden jemand in der Dusche stand. „Christine?“, fragte Gasperlmaier nach, und eine kleine Hoffnung auf eine gemeinsame Dusche mit seiner Frau begann sich in ihm zu regen. Das gehörte für ihn zu den schönsten und innigsten Gelegenheiten für Zärtlichkeiten, wenn man sich in Seifenschaum gehüllt aneinanderdrückte und manchmal auch voneinander abrutschte. Heute allerdings hörte er nur ein ärgerliches „Papa!“ von Christoph und ein aufgeregtes Kreischen einer weiblichen Stimme. Sehen konnte er hinter all dem Dampf und der beschlagenen Tür der Brausekabine nur schemenhafte Silhouetten. Außer einem ebenso wohlgeformtem wie bleichen Hintern, der kurz an der Tür der Duschkabine plattgedrückt wurde. So schnell er konnte, zog sich Gasperlmaier aus dem Bad zurück. So also stand es um das Verhältnis zwischen seinem Sohn und der Andrea. Kaum war die Katze aus dem Haus, stand man schon gemeinsam unter der Dusche. Sosehr sich Gasperlmaier bisher über die vermeintliche Unschuld in der Beziehung zwischen dem Christoph und der Andrea gewundert hatte, so sehr ärgerte er sich jetzt und wusste gar nicht recht, worüber eigentlich. Dass man sich nicht einmal in seiner eigenen Dusche, wenn man heimkam, duschen konnte! Weil der Herr Sohn seine Freundin auf ein Brausebad einladen musste! Und die Nerven hatte, nicht einmal die Tür abzusperren! Da redete er immer von „nur eine Freundin“ und warf ihm, dem Gasperlmaier, vor, er denke immer nur an Sex, und dann vergnügte man sich im Seifenschaum! Gasperlmaier fiel ein, dass der Schlüssel der Badezimmertür seit Jahren verschollen war und man den Kindern, als sie in die Pubertät kamen, jahrelang
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