Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
das Foto vermuten ließ, dann hatte höchstwahrscheinlich der Doktor Naglreiter selber seine Frau ins Jenseits befördert. Er hatte sie, wohl ihrer Untreue wegen, über Bord geworfen und mit dem Ruder erschlagen.
Gasperlmaier griff zu seinem Handy und wählte die Nummer der Frau Doktor Kohlross. Leider bekam er nur die Botschaft einer Mailbox. Der Teilnehmer sei im Moment nicht erreichbar. Bevor er noch Zeit hatte, zu überlegen, was er nun tun sollte, hielt ihm die Christine schon ihr Handy ans Ohr. „Ich hab den Kahlß Friedrich dran“, flüsterte sie ihm zu. Gasperlmaier, gerade im Begriff, unseliger Hektik zu verfallen, die ihn wie üblich nahezu vergeblich um Worte ringen ließ, schnaufte in den Apparat: „Der Naglreiter selber war’s! Und jetzt musst du mir die Frau Doktor wieder zurückbringen! Mit dem Marcel! Der war’s nämlich nicht! Weil der Christoph nämlich ein Foto von ihm gemacht hat! Nein! Kein Foto vom Marcel! Sondern vom Naglreiter, dem alten!“ Gasperlmaier hatte sich in Saft geredet, schwitzte und gestikulierte wild, als wolle er sich von einem zu engen Hemdkragen befreien, obwohl er doch noch immer in der Badehose mitten im Wohnzimmer stand. Kopfschüttelnd nahm ihm die Christine das Handy wieder aus der Hand, erklärte in wenigen Sätzen ruhig dem Kahlß Friedrich die Sachlage und legte auf. Den Gasperlmaier packte sie am Arm, führte ihn auf die Terrasse und drückte ihn wieder auf die Bank. „Jetzt beruhig dich erst einmal“, sagte sie mit ihrer sanftesten Stimme, „haben wir das nicht schon trainiert? Ruhig durchatmen, langsam atmen, nicht während dem Reden hecheln, dann geht das ganz von selber.“ Vom Beruhigen konnte bei Gasperlmaier aber keine Rede sein. Gleich sprang er wieder auf. „Erstens, ich muss mich wieder anziehen. Und zweitens, der Christoph hat mich angelogen! Er war gar nicht immer mit den anderen zusammen! Sonst hätte er das Foto gar nicht machen können! Vom Tagada und vom Bierzelt aus sieht man nämlich keinen See nicht!“ Und während die Christine beruhigend auf den freien Platz neben sich klopfte, um ihn zum Hinsetzen zu bewegen, rannte Gasperlmaier auf der Suche nach seiner Uniform ins Haus.
13
Seufzend klappte die Frau Doktor Kohlross ihren Laptop auf und nahm mit spitzen Fingern dem Gasperlmaier die Speicherkarte ab, die er ihr hinhielt. „Was glauben Sie, was mir meine Vorgesetzten erzählt haben, als ich den Marcel wieder ins Auto setzen und heimfahren lassen musste. Jetzt heißt es natürlich, ich sei mit der Ermittlung überfordert. Morgen will man mir einen weiteren, erfahrenen Ermittler beistellen. Wissen Sie, was das heißt, Gasperlmaier?“ Der wusste nicht recht, welche Reaktion von ihm erwartet wurde, und wackelte ein wenig unbestimmt mit dem Kopf, ohne sich auf ein Ja oder ein Nein festzulegen. „Das heißt, dass ich einen Chef vor die Nase gesetzt bekomme, einen Besserwisser, und dass ich nicht mehr selbstständig ermitteln kann.“ „So wie ich jetzt?“ Kaum war es heraußen, bereute Gasperlmaier, es gesagt zu haben. Aber was es hieß, ständig jemandem nachzudackeln und keine eigenen Entscheidungen treffen zu können, das wusste er selbst am besten. Die Frau Doktor warf ihm einen resignierten Blick zu. Sie hatte bereits den Ordner mit den Bildern von Christoph geöffnet und suchte nach dem richtigen Bild. Natürlich stolperte sie dabei auch über die Fotos, die Christoph von der Andrea und vor allem von der Eva gemacht hatte. Mehr als ein „Aha!“ ließ sie sich allerdings nicht entlocken. Bald war das Bild der Naglreiter’schen Plätte formatfüllend auf dem Bildschirm zu sehen. Die Frau Doktor vergrößerte, genau so, wie die Christine das getan hatte, die Ansicht, nickte, schüttelte den Kopf und gab verschiedene Laute von sich, die Gasperlmaier einmal als Verwunderung, ein andermal als Geringschätzung zu deuten vermochte.
„Zweifellos!“ Die Frau Doktor lehnte sich zurück, verschränkte ihre Finger ineinander und ließ die Fingerknöchel knacken. „Zwanzig Uhr vierzehn. Herr Doktor Naglreiter und Gemahlin. Hier kann man’s zwar nicht hundertprozentig sagen, aber die Experten bekommen das so hin, dass eine eindeutige Identifizierung möglich sein wird. Einmal über die Kleidung, bei ihm sogar über Haarschnitt und Gesicht. Er ist’s.“ Nach einer Pause fuhr sie fort: „Und wie ist Ihr famoser Herr Sohn an dieses Foto gekommen? Schon geklärt?“ Gasperlmaier wand sich. Die Christine hatte zwar dem Christoph eine
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