Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
halbwegs glaubwürdige Erklärung für das Foto herauslocken können, Gasperlmaier aber war es peinlich, vor dem Kahlß Friedrich und der Frau Doktor erklären zu müssen, was die Andrea und den Christoph ans Seeufer getrieben hatte. Wie sollte er es anstellen, dass wenigstens der Friedrich nicht zuhörte. „Äh, ich weiß, aber …“ Gasperlmaier fuhrwerkte umständlich mit den Händen in der Luft herum und blickte dabei zwischen dem Friedrich und der Frau Doktor hin und her. Die kannte Gasperlmaier inzwischen schon gut genug, um seine Art der Kommunikation eindeutig zu verstehen. „Sie wollen mit mir unter vier Augen darüber reden?“ Unter Erröten nickte Gasperlmaier, und die Frau Doktor bat den Friedrich, für einen Kaffee und ein Glas Mineralwasser zu sorgen. Der erhob sich brummend.
„Also?“ „Also, mein Sohn, der Christoph, und seine Freundin, die Andrea, die haben sozusagen an diesem Abend …“ Gasperlmaier hatte sich in einem nicht zu Ende zu bringenden Satz verfangen und musste neu ansetzen. „Sie kennen sich schon lange, aber nicht so.“ In die entstehende Pause stieß die Frau Doktor hinein. „Sie meinen, an diesem Abend hat es zwischen den beiden gefunkt.“ Gasperlmaier nickte erleichtert. „Und weil sie, ebenso wie wir, Dinge unter vier Augen zu besprechen hatten, sind sie ans Seeufer gegangen?“ Unter neuerlichem Er-röten nickte Gasperlmaier eifrig weiter. „Wieso jetzt, wie wir? Wir sind doch nicht, haben doch nicht …“ Abwehrend streckte Gasperlmaier der Frau Doktor die Handflächen entgegen. Sie musste lächeln. „Nein, Gasperlmaier, so habe ich das nicht gemeint. Obwohl – finden Sie mich so unattraktiv?“ Die Frau Doktor warf ihr Haar zurück und lächelte den Gasperlmaier schamlos an, der völlig verwirrt dämlich zurückgrinste und bei sich dachte, dass er noch ein paar Minuten brauchen würde, um zu entscheiden, wie die Frau Doktor das jetzt gemeint hatte. Gleichzeitig war ihm klar, dass er während dieser Bedenkzeit nicht wortlos und blöde grinsend dasitzen konnte. Die Frau Doktor erlöste ihn aus seiner üblen Lage. „Nur eines verstehe ich nicht: Wie kommt Ihr Sohn dazu, dass er Fotos macht, während er mit seiner Freundin herumknutscht?“ Gasperlmaier bewegte sich nun auf sicherem Grund und merkte, wie seine heißen Ohren langsam abzukühlen begannen. „Er sagt, die Andrea hat die Plätte zuerst gesehen. Und sie hat die Kamera genommen und ein Foto gemacht, weil sie gemeint hat, das sei romantisch, in der Abenddämmerung zu zweit auf dem See herumzufahren, und der Christoph sollte mit ihr so was auch machen. Und damit er nicht darauf vergisst, hat sie gesagt, hält sie das gleich fest. Zu unserem Glück.“
Die Frau Doktor nickte und drückte einen kleinen Knopf an der Vorderseite des Computers, sodass die Speicherkarte heraussprang. „Die werden wir behalten müssen, zumindest vorläufig. Ich hab mir zwar eine Kopie des Fotos gespeichert, aber sicher ist sicher. Sagen Sie das Ihrem Sohn?“ Gasperlmaier hatte ihr gar nicht richtig zugehört, denn als er die fingernagelgroße blaue Karte in den Händen der Frau Doktor sah, erinnerte er sich an etwas: „Sagen Sie, Frau Doktor, was war denn eigentlich auf der Karte drauf, die wir im Schlafzimmer vom Doktor Naglreiter gefunden haben? Die hat genau so ausgeschaut!“
Die Frau Doktor saß da wie vom Donner gerührt. „Vergessen!“, hauchte sie dem Gasperlmaier zu, während der Kahlß Friedrich gerade wieder hereinpolterte und das Wasser und den Kaffee vor sie hinstellte, der dabei natürlich überschwappte, weil der Friedrich kein sehr geschickter Kellner war, was bei der Größe seiner Gliedmaßen selbst bei hinreichender Übung unmöglich gewesen wäre. „Andererseits, wann eigentlich hätte ich Zeit gehabt, mir die Fotos anzuschauen?“ Die Frau Doktor schnappte sich einen Aktenordner, der am Rand ihres Schreibtisches lag. „Da müsste ich sie hineingetan haben.“ Nach kurzem Blättern schob sie erneut eine Speicherkarte in den Schlitz an ihrem Computer.
Als die Frau Doktor die Miniaturansicht der Fotos auf der Naglreiter’schen Speicherkarte geöffnet hatte, bekam der Gasperlmaier große Augen. Erstens, weil er seine Lesebrille vergessen hatte und auf den Fotos außer offenbar viel nackter Haut nichts erkennen konnte, zweitens, weil die Frau Doktor kräftig durch die Zähne pfiff. „Schau, schau!“, sagte sie. „Der Herr Rechtsanwalt. Da hat er allerdings gute Gründe gehabt, die Speicherkarte gut
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