Letzter Mann im Turm - Roman
Pintos an ihrem Esstisch mit dem rotweiß karierten Tischtuch, an, was in Malabar Hill geschehen war, während Nina, ihr Dienstmädchen, hinter einer Wolke von Dampf
idlis,
Linsenreiskuchen, aus dem Dampfkochtopf nahm.
«Und da sind Sie einfach gegangen?»
«Die haben mich bedroht», sagte Masterji. «Natürlich bin ich gegangen.»
«In dieser Stadt werden Zehntausende Termine verpasst, weil zu viel Verkehr ist, und Sie haben Mr Shah verpasst, weil zu wenig Verkehr war. Schicksal, Masterji», sagte Mr Pinto, während das Dienstmädchen drei
idlis
auf seinen Teller schob. «Haargenau das.»
«Sie klingen aber verbittert, Mr Pinto.» Masterji lehnte sich zurück und wartete auf seine
idlis.
Drei Stück, auch für ihn.
«Und was machen wir jetzt?», fragte Shelley. Wie üblich bekam sie nur zwei
idlis.
«Wir warten bis zum 3. Oktober. Die Frist wird verstreichen, und dieser Shah-Knabe wird verschwinden. Das hat er selbst gesagt, erinnert ihr euch?»
«Und bis dahin wird der Boykott immer schlimmer werden.»
«Es ist etwas Größeres als bloß wir hier im Spiel, Mr Pinto. Gestern, als ich auf der Terrasse des Bauherrn stand, habe ich etwas im Meer gesehen. Diese Stadt verändert sich viel zu schnell. Alle wissen das, aber niemand will etwas dagegen tun. Und sagen: ‹Macht mal langsam. Hört auf. Lasst uns darüber nachdenken, was hier passiert.› Verstehen Sie mich?»
Aber das war es auch noch nicht. Da war noch etwas anderes gewesen in diesem schäumenden, weißen Wasser: ein Gefühl derMacht. Er brach eine ungeschriebene Regel – berühre niemals einen anderen Menschen, während er isst –, streckte die Hand aus und packte seinen Freund an der Schulter. Mr Pinto spuckte beinahe seinen
idli
aus.
Nach dem Mittagessen goss das Dienstmädchen Tee in kleine Porzellantassen.
«Der Boykott wird schlimmer werden», sagte Mr Pinto. «Und er ist jetzt schon schwer zu ertragen. Shelley weint nachts im Bett. Wie können sie uns das antun, nachdem wir nun schon so viele Jahre hier zusammenleben?»
«Wir dürfen nicht schlecht von ihnen denken.» Masterji nippte an seinem Tee. «Purnima würde das auch nicht gefallen. Wissen Sie noch, wie sie immer sagte, der Mensch sei wie eine Ziege, die man an einen Pflock gebunden hat? Es gibt einen gewissen Spielraum, aber unsere Handlungsfreiheit ist beschränkt. Man sollte die Menschen nicht so hart beurteilen.»
Mr Pinto, der sich nie so ganz sicher gewesen war, wie gut sich Purnimas Vorstellung in die katholische Lehre einfügte, grunzte.
Masterji war guter Laune. Er verstieß auch noch gegen die Regel, die Großzügigkeit der Pintos nicht überzustrapazieren, und bat Nina um eine zweite Tasse Tee.
Die Menschen, die sich erleichtert hatten, hatten das Ufer im verslumten Teil des Versova-Strandes verlassen; der schicke Teil hatte sich im Gegenzug von Joggern, Leuten mit ihren Dehnungsübungen und Tai-Chi-Schülern befreit. Es war Viertel nach zehn. Auf einem betonierten Pfad tauchte ein gesatteltes weißes Pferd auf. Dieser Weg verlief zwischen Felsbrocken, die zum Strand führten; ein Junge zog das Pferd am Steigbügel hinter sich her, blieb stehen, um ihm ins Ohr zu flüstern.
Keiner hier, Raja. Am Abend kommen sie dann, die Kinder, die eine Runde am Strand reiten wollen. Aber jetzt sind wir allein, Raja.
Das Murmeln der Wellen um sie herum machte ihre Ungestörtheitnoch exklusiver; der Junge setzte sich auf einen großen Felsen, damit sein Mund auf Höhe von Rajas großem Ohr war.
Der Junge hörte auf zu reden. Da war noch jemand am Strand. Ein fetter Mann stand am Wasser und blickte auf die blaugraue Masse der Apartmenthäuser am fernen Bandra-Ufer. Der Junge streichelte das Pferdeohr und beobachtete den fetten Mann.
Shah hatte auf die Hoteltürme in Bandras Land’s End gestarrt. Irgendwo dahinter, dort wo die Flugzeuge landeten, lag Santa Cruz. Irgendwo dort lag Turm A der Vishram Society. Er schloss die Augen. Er sah das Gebäude vor sich, schmutzig, rosa und voller Regenwasserflecken. Fünf Stockwerke. Er streckte die Handfläche aus und ballte die Finger zur Faust.
Schritte hinter ihm. Shah drehte sich um.
Shanmughams große, hagere Gestalt kletterte die hinter Shah liegenden Felsen hinab, er kam mit einer kleinen blauen Dose in den Händen zum Strand.
«Das ist für Sie, Sir», sagte er und reichte sie Shah.
Rosie, die ihren Onkel allein unten am Strand gesehen hatte, hatte Shanmugham gerufen und ihm eine blaue Dose mit Betel mitgegeben.
Shah löffelte
Weitere Kostenlose Bücher