Letzter Mann im Turm - Roman
sagte Kudwa. «Sie ist nichtsehr sauber, aber …» Der affengleiche Arjun zeigte ihm von der Lünette herab mit seinem Hammer den Weg.
Er stand vor der Toilettenschüssel, als der Motor des Mercedes ansprang; aber bei diesem Geräusch konnte er schlicht kein Wasser lassen.
Alles an diesem Auto war luxuriös, die klimatisierte Luft, die weichen Kissen, der Blumenduft, und alles verstärkte Masterjis Unbehagen.
Er saß auf dem Rücksitz, die Arme zwischen den Knien.
Ajwani, der neben dem Fahrer saß, drehte sich alle paar Minuten um und lächelte.
«Ist da hinten alles in Ordnung?»
«Warum sollte es das nicht sein?»
Er war sich sicher, dass er nach Fisch stank, vom Schnurrbart bis hinunter zu den Fingerspitzen, und das beschämte und schwächte ihn. Er schloss die Augen und lehnte sich für die lange Fahrt in die Stadt zurück.
«Warum ist heute kein Verkehr?», hörte er Ajwani fragen. «Ist heute ein Feiertag?»
«Nein, Sir. Wir sind fast allein auf der Straße.»
«Das sehe ich, aber warum?»
Es verstrich einige Zeit, und dann hörte er Ajwani sagen: «Da ist
wirklich
kein Verkehr. Das verstehe ich nicht.»
Masterji öffnete die Augen, und wie durch Zauberei befanden sie sich bereits am Fuß von Malabar Hill.
Prächtig in seinem Feuerkreis, den Fuß auf den Dämon der Unwissenheit gestellt, prangte der Bronze-Nataraja auf dem Wohnzimmertisch. Das Shanghai-Gipsmodell stand, eine ambivalente Geste, zu Füßen des Gottes, entweder um seiner Macht Respekt zu zollen, oder um sie herauszufordern.
In einer Zimmerecke, weit entfernt vom starren Blick der bronzenenNataraja-Figur, öffnete Shanmugham die Glastüren der Hausbar. Reihen sauberer Kristallgläser füllten die Holzregale über der Bar.
Alle Töpfe und Pfannen in der Küche klapperten in einem metallischen Anfall von Nervosität; Giri bearbeitete etwas mit einem Hackmesser.
Shanmugham schloss die Türen der Hausbar.
Sein Telefon klingelte. Es war Ajwani; sie hatten das Haus erreicht.
«Aber Mr Shah ist gerade gegangen», sagte Shanmugham. «Er hat einen Termin in der Schule seines Sohnes. Du solltest erst in einer Stunde hier sein. Frühestens.»
«Es war überhaupt kein Verkehr auf der Straße. Ich habe so was noch nie erlebt. Sollen wir in Malabar Hill herumfahren? Bei den hängenden Gärten anhalten?»
«Nein, kommt rauf und wartet hier auf Mr Shah. Ich schicke ihm eine SMS, dass ihr zu früh dran seid.»
Er erwartete sie in der Eingangstür unter dem goldenen Ganesh-Medaillon. Als der alte Lehrer aus dem Aufzug trat, stellte Shanmugham fest, dass er leicht hinkte. Arthritis in einem Bein. Eine Schwachstelle. Er begrüßte den alten Mann mit großer Herzlichkeit und führte ihn ins Wohnzimmer.
«Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen, Masterji? Wir haben Coca-Cola, Pepsi …»
Ajwani folgte ihnen.
«Für mich Black Label», sagte er.
«Nur Mr Shah hat Zugang zu seiner Hausbar. Du wirst warten müssen.» Shanmugham wandte sich an seinen anderen Gast. «Sind Sie sicher, dass Sie nichts wollen? Nicht einmal eine Pepsi?»
Masterji saß zusammengekauert auf dem beigefarbenen Sofa und sah zu Boden.
«Ich muss auf die Toilette», sagte er und stand auf.
«Die Gästetoilette ist kaputt. Aber wenn Sie nichts dagegen haben», Shanmugham machte eine Pause und fügte dann mit einem bedeutungsvollen Lächeln hinzu, «können Sie die von Mr Shah benutzen. Dort drüben ist sein Schlafzimmer.»
Masterji betrat ein dunkles Zimmer mit einem Doppelbett, machte die Toilette ausfindig und schloss die Tür hinter sich.
Hier konnte er endlich Wasser lassen.
Wenn mich jetzt jemand sehen könnte,
dachte er,
würden sie dann nicht sagen, dass das genau das ist, was Masterji von Anfang an gewollt habe? Eine so überzeugende Show abziehen, dass selbst sein Sohn, seine Nachbarn zum Narren gehalten wurden. Und sich dann in einem Auto mit Chauffeur hierherfahren lassen, in die Wohnung des Bauherrn, sein Wasser trinken, in seinen Pisspott pissen und sich schließlich von ihm für ein paar Hunderttausend Rupien extra doch noch überreden lassen.
Er spritzte sich Wasser ins Gesicht. Seine Augenbrauen waren feucht und buschig. Er veränderte seine Haltung, um sein Gesicht aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Er schloss die Toilettentür hinter sich und ging auf Zehenspitzen zurück. Die beiden flüsterten miteinander auf dem Sofa wie alte Freunde.
«… ich sage es Ihnen doch, überhaupt kein Verkehr. Was soll ich …»
«Und
musstest
du in
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