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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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im Atem des Mannes und dachte an den Käfig mit dem grünen Dreck im Zoo.
    «Wir haben da in unserer Branche einen Ausdruck. Extra. 10.000 Rupien pro Quadratmeter mehr? In diesem Land zahlen wir den Lehrern nicht genug.»
    Er begriff. Es war der Geruch seiner eigenen Feigheit, die ihm aus dem Mund dieses Mannes entgegenwehte.
    «Und wie war das mit diesem Sanierungsprojekt, von dem du mir erzählt hast, Ajwani … das alte Ehepaar, das sich weigerte, das Angebot anzunehmen, und dann eines Tages … sind sie nicht die Treppe hinuntergefallen? Oder wurden sie hinuntergestoßen … Alte Leute sollten auf sich aufpassen. Die Welt ist gefährlich. Terrorismus. Mafia. Kriminelle, die das Sagen haben.»
    «O ja. Dieses alte Ehepaar in Sion, über das Sie gesprochen haben, sie wurden gestoßen. Definitiv.»
    Im Licht der Wohntürme schienen sich Shanmughams Gedanken vor Masterji in riesigen Buchstaben zu materialisieren: ‹Ich werde dem alten Mann schmeicheln und ihn ganz dezent einschüchtern. Ich werde ihm die Königreiche auf Erden zeigen und gleichzeitig einen zarten Hinweis auf die Instrumente der Folter geben.› Also hatten sie ihm all die Königreiche Bombays gezeigt und gesagt: «Treffen Sie Ihre Wahl.» Und nun war ihm klar, was er wollte.
    Nichts.
    Masterji konnte sehen, wie schwarzes Wasser gegen die Schutzmauer krachte, die es abwehren sollte, zurückrollte und erneut dagegenkrachte.
    Schon einmal war er schwach geworden, damals als Purnima von ihren Brüdern bedroht worden war. Er hatte in seiner Genossenschaft keine Streitigkeiten gewollt und war wieder schwach geworden.
    «Und Masterji, die Pintos wollen, dass Sie unterschreiben. Um ihretwillen müssen Sie Ja sagen.»
    «Lassen
Sie
die Pintos aus dem Spiel.»
    «Ihr Freund Mr Pinto ist nicht der Mann, für den Sie ihn halten, Masterji. Bis vor zwei Wochen hat er immer Royal Stag Whisky getrunken. Neulich am Morgen ist in seinem Müll eine kleine leere Blenders-Pride-Flasche aufgetaucht. Er gibt jetzt für eine Flasche Whisky fünfzehn Rupien mehr aus. Warum? Weil er Geld mehr liebt als seine blinde Frau.»
    Er durchwühlt also unseren Müll,
überlegte Masterji.
Aber im Müll eines Menschen findet sich doch nicht die Wahrheit über ihn, oder?
    «Sie wissen doch gar nichts über Mr Pin… Mr Pint… Mr Pint…» Masterji spürte, wie ihm der Boden unter den Füßen wegrutschte. «Es fängt schon wieder an.» Er hörte seinen Blutzucker kichern. Sein linkes Knie schwoll schmerzhaft an; ihm wurde schwarz vor Augen.
    «Masterji!» Ajwani streckte die Hand nach ihm aus. «Masterji, was ist los?»
    «Nichts.» Er schüttelte Ajwanis Hand ab. «Nichts.»
    «Bleiben Sie ruhig, Masterji. Und atmen Sie tief durch. Dann wird es …»
    Sieh nach unten,
sagte eine Stimme.
Schau mich an.
Masterji wandte sich nach links und sah das wirbelnde Meer, das schäumend die Mauer am Strand von Bombay umbrandete. Der Schaum wurde dicker. Das Meer rammte wie ein Stier gegen die Mauer von Breach Candy.
Sieh mich an, Masterji.
Der Stier rannte wieder an und rammte gegen die Stadtmauer und zog sich zurück, um wieder Kräfte zu sammeln.
Schau mich an.
    Die Meere waren voller Traubenzucker.
    «Was sagen Sie, Masterji?», fragte Ajwani. Grinsend sah er Shanmugham an.
    Shanmugham kam das Schild vor der Villa in den Sinn, das er jeden Morgen auf seiner Fahrt nach Malabar Hill sah. «Dieses Gebäude ist einsturzgefährdet.» Die Stadtverwaltung sollte auch alten Männern wie diesem so ein Schild umhängen. Er wollte Masterji berühren, der zurückwich und ihn anfunkelte: «Haben Sie mich hierhergebracht, um mich zur Unterschrift zu
zwingen?»
    Zwingen –
die Wucht dieses Wortes schwächte beide, Ajwani und Shanmugham.
    Der Geruch von frittiertem Essen wehte auf die Terrasse. Giri näherte sich den Männern mit einem Silbertablett voller frischer
pakoras,
die auf einem mit frischem Fett befleckten Papier lagen.
    «Heiß, heiß, heiß, heiß.»
    «Biete doch Mr Murthy von der Vishram Society die
pakoras
an, bitte», sagte Shanmugham. «Er ist Lehrer.»
    «Heiß, heiß, heiß, heiß.» Giri trug das Tablett zu dem wichtigen Besucher hinüber.
    Die linke Hand des alten Mannes klatschte auf das Tablett, es glitt Giri aus den Händen und knallte auf den Boden. Shanmugham und Ajwani hoben die Füße, um den umherrollenden
pakoras
auszuweichen. Giri starrte mit offenem Mund. Als die drei aufblickten, bemerkten sie, dass sie allein auf der Terrasse waren.

1. AUGUST
    Am Morgen hörten sich die

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