Letzter Mann im Turm - Roman
die Frist um einen Tag verlängert hatte, wäre das gestern gewesen. Jeder Mensch, der schwor, die Frist nicht zu verlängern, würde sein Gesicht verlieren, wenn er das einen Tag später auch noch täte.
Auf dem Bildschirm in der Bar war ein Film zu sehen, in dem Praveena Kumari, eine berühmte «Sexbombe» aus den 80er-Jahren, mitspielte, die nun mit einem Film namens «Dance, Dance» ein Comeback feierte. Ram Khare war nie ein Fan von ihr gewesen. Nicht genug Kurven.
Er trank seinen Whisky und bestellte sich noch einen.
Ehrlich gesagt,
dachte er,
habe ich immer gehofft, dass Masterji den Bauherrn bezwingen würde. Welche Genossenschaft stellt mich in meinem Alter denn noch ein?
Er bekam Hunger.
Ein gutes, in einem Wok gebratenes Chow mein, an einer von Gurkhas geführten Imbissbude am Straßenrand. Er setzte sich auf eine Bank neben dem Wok und aß mit einer Plastikgabel, spritzte grüne Soße und Ketchup auf das Chow mein.
Nachdem er mit seinem Abendessen fertig war, spülte er sich den Mund aus und kehrte nach Vishram zurück.
Er hatte das Tor entriegelt und war auf dem Weg zu seinem Wachhäuschen, als er einen Menschen in der Nähe des Hauseingangs liegen sah.
Catherine D’Mello-Myers Wohnung in der Bandra Reclamation war ein kunterbuntes Durcheinander aus linksgerichteten Wissenschaftsmagazinen und ausländischen Spielsachen.
Ihre drei Kinder und deren zwei Cousins waren durch die Küche und durch das Badezimmer getobt, bis sie sie ins Fernsehzimmer gescheucht hatte, wo sie sich um die Sony Playstation versammelten.
Jetzt saß sie mit ihrer Schwester und dem niedlichen schwachsinnigen Jungen, der sein grünes Schild mit der Aufschrift KEIN LÄRM hielt, am Esstisch. Sein Schwert hatte sich in eine zerdrückte Pappmasse auf dem Boden verwandelt.
Catherine hatte ihre Schwester noch nie so erlebt.
Mrs Rego saß am Tisch, und ihre rechte Hand lag auf einem schwarzen Handy.
Frank, Catherines amerikanischer Ehemann, warf ihr einen Blick aus ihrem Schlafzimmer zu. Er deutete mit dem Kopf auf die Kinder, die an der Playstation tobten.
Sie funkelte ihn an.
Manche Dinge begriffen Männer einfach nicht. Ihre Schwester hatte noch nie so etwas getan, sie war ohne Vorwarnung einfach vorbeigekommen und hatte ihre Kinder und diesen Nachbarsjungen mitgebracht.
Catherine wusste, dass sie nie genug für die arme Georgina getan hatte.
Sie hatte begriffen, dass mit diesem Handy ein wichtiger Anruf gemacht werden musste. Ihre Aufgabe war es, sich um die Kinder zu kümmern, bis der Anruf erledigt war, und Frank konnte bleiben, wo der Pfeffer wächst.
«Komm, Ramu», sagte sie und zog den schwachsinnigen Jungen von ihrer Schwester weg. Als sie ihn berührte, zog sie fast sofort wieder die Hand zurück.
«Georgina», flüsterte sie, «ich glaube, er hat in die Hose gemacht.»
Der Junge öffnete die Lippen und ließ ein leises, hohes Winseln hören.
Mrs Rego nahm ihr Handy und drückte auf die Tasten.
«Sind Sie das, Mrs Puri?», fragte sie, als abgehoben wurde.
Catherine trat näher, um zuzuhören.
«Nein, hier ist Mr Puri», sagte eine Männerstimme. «Meine Frau wird Sie in einer halben Stunde zurückrufen. Die Polizei befragt sie gerade, hier im Hause gab es einen bedauerlichen Zwischenfall. Geht es Ramu gut?»
Frank öffnete die Schlafzimmertür, um noch einen Kommentar von sich zu geben, und sah, wie Mrs Rego schluchzend zusammenbrach, während ihre Schwester sich über sie beugte, ihr den Rücken tätschelte und flüsterte: «Ist ja gut, Georgina, ist ja gut …»
Shanmugham verbeugte sich vor dem goldenen Ganesh über dem Türsturz und ging durch die offene Tür in die Wohnung seines Arbeitgebers in Malabar Hill.
Er hörte Kishore Kumars
Ek Aise Gagan Ke Tale,
das im Kassettenrekorder lief.
Das Wohnzimmer war leer. Ein Teller mit abgenagten Brotrinden stand auf dem Esstisch; auf dem Toast erkannte er die Bissspuren seines Arbeitgebers.
Der Geruch von Betel führte ihn ins Schlafzimmer.
Dharmen Shah lag in einem Nest aus bedrucktem Papier und kritzelte mit einem Stift auf einen Notizblock. Das Gipsmodell des Confidence-Shanghai stand neben ihm dicht bei der Nachttischlampe.
«Was?»
Shanmugham wusste nicht, wie er es formulieren sollte. Ihn überkam eine eigenartige Furcht, dass er sich mit jedem Wort selbst belasten könnte.
Shah blickte von seinen Berechnungen auf und sah, wie sich die Hand seines Assistenten zur Faust hob.
Die Faust öffnete sich.
«Wie?»
«Er ist gestürzt, Sir. Von der
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