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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Häuser», sagte Kothari und hoffte, dass er seine Hand loslassen würde.
    «Nein. Architekten bauen Häuser. Ingenieure bauen Straßen.»
    Kothari sah sich nach Hilfe um. Shanmugham blickte zur Decke hoch, das Geburtstagskind bewegte aus irgendeinem Grund seinen rechten Arm hinter dem Kopf hin und her.
    Shah hob seinen goldberingten Zeigefinger.
    «Ein Bauherr ist der einzige Mann in Bombay, der nie einen Kampf verliert.»
    Und damit ließ er Kotharis Hand los.
    «Warum warst du so lange weg?», fragte Mrs Kothari, als ihr Mann zu ihr ins Bett schlüpfte. «Die Leute haben nach dir gefragt,aber ich habe niemandem gesagt, dass du beim Bauherrn zu Hause warst.»
    Der Verwalter sprach dreimal den Namen Krishnas und machte die Nachttischlampe aus.
    «Hat er dich in seinem Auto mitgenommen? Wie ist denn sein Haus so? Goldarmaturen im Badezimmer? Und gibt es einen Whirlpool?»
    Ihr Mann zog sich die Bettdecke übers Gesicht und sagte nichts.
    In der Dunkelheit sah er einen Vogelschwarm, der ihn umflatterte. Er spürte die Finger seines Vaters auf seinen – und all die verschwendeten Jahrzehnte fielen von ihm ab, und sie waren wieder zusammen an diesem See in Afrika.
    Ashvin Kothari schlief mit Tränen auf den Wangen ein.

18. MAI
    Wie eine Armee, die seit Monaten näher gerückt war und nun die Zitadelle stürmte, betraten sie mit Ziegelsteinen auf den Köpfen Fountainhead und Excelsior.
    Es war die letzte Arbeitswelle vor dem Monsun. Jene Tagelöhner, die in der Hitze weggeschmolzen und in ihre Dörfer geflohen waren, wurden von anderen ersetzt, die mit Bussen hergekarrt wurden, zu immer höheren Kosten; der Tagessatz für Männer betrug nun 370 Rupien. Hitze hin oder her, Feuchtigkeit hin oder her, alle Innenausbauten, Mauern, Böden, Säulen mussten vor den Regenfällen fertiggestellt werden.
    Wie an jedem glühend heißen Morgen befand sich Dharmen Shah vor Ort, schleifte seine Seidenhosen durch Schlamm und Dreck, zeigte mit den Fingern hierhin und dorthin und brüllte die Männer an. Er stand neben dem ratternden Zementmischer, während Frauen in leuchtenden Saris und Diamantnasenringen in die Hocke gingen und sich mit Wannen nassen dunklen Betons auf den Köpfen wieder erhoben.
    Shah stellte den Fuß auf einen Haufen Betonröhren. «Schneller, junger Mann», befahl er einem der Arbeiter. «Ich zahle dir gutes Geld. Ich will dich arbeiten sehen.»
    Shanmugham, der hinter seinem Boss stand, strich mit den Fingern immer wieder über den Spiralrücken einer grünen Jahresbilanz.
    Shah machte seinen Assistenten auf zwei Teenager aufmerksam, die eine lange Wellblechstange in zwei Teile brachen.
    «Arbeit. Schwere Arbeit. Ein schöner Anblick.»
    Die beiden muskulösen Jungen hatten die Stange auf ein Metalldreieck gelegt, einer von ihnen hob einen Hammer. Er ließ ihnniedersausen, die lange Stange erzitterte bei jedem Schlag. Hinter dem Hammer schwingenden Jungen wurde ein Zementsack mit einem Flaschenzug in die oberen Stockwerke des Confidence Excelsior gehievt.
    «Ich habe gehört, dass Chacko seine Baustellen nie besucht. Er mag den Geruch von Zement und Stahl nicht. Was für ein drittklassiger Bauherr.»
    Im Aufzug, der in den vierten Stock des Excelsior fuhr, öffnete Shanmugham seine Jahresbilanz. Er entnahm ihm ein kleines schwarzes Buch und schlug es auf.
    «Ich habe mit dem Verwalter gesprochen, Sir.» Er konsultierte das schwarze Buch. «Im Moment lehnen vier Leute in Vishram das Angebot ab. Vier von Turm A. Alle von Turm B haben Ja gesagt.»
    «Was ist das für ein schwarzes Buch?» Mr Shah nahm es seinem Assistenten aus der Hand und schlug es auf.
    «Da stehen Daten und Dinge drin, die wir zu erledigen haben, und kluge Aussprüche von Ihnen. Meine Frau ermutigt mich, Dinge aufzuschreiben, Sir.»
    Shah blätterte im Buch.
    «Wenn doch mein Sohn auch so aufmerksam zuhören würde.» Er gab das Buch seinem Assistenten zurück. «Du hast mir mal gesagt, dass es in der Vishram Society einen Lehrer gibt. Lehnt er das Angebot ab?»
    Sie traten aus dem Aufzug.
    «Ja, Sir.»
    «Ich wusste es, Shanmugham. Ich mag Lehrer nicht. Schreib das in dein Buch.»
    Die Familie eines Arbeiters verbrachte die Nächte im noch nicht fertiggestellten vierten Stock, den eines Tages ein leitender Angestellter eines Technologieunternehmens oder ein Geschäftsmann belegen würde. Er berührte die frisch gewaschenen Kleider des Arbeiters, die in den Nischen hingen, in denen bald Versacehängen würde; die kleinen Seifenstücke und ihre

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