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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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ein besseres Leben gewollt hatten.
    «In Walada gab es auch einen Einsturz. Steht auf der nächsten Seite.»
    Ajwani drückte seine Plastikteetasse zusammen und zielte damit auf den Abfalleimer.
    «Trotzdem sind das bislang nur sechs Tote in diesem Jahr. Wie viele waren es letztes Jahr? Zwanzig? Dreißig? Ein glimpfliches Jahr, Masterji. Ein glimpfliches Jahr.»
    Ein makaberes Spiel, das die Bewohner von Vishram seit mindestens einem Jahrzehnt spielten. Wenn es ein «gnadenloses» Jahr für Monsuntote war, war dies zum Vorteil der einen Partei(Masterji und Kudwa), ein «glimpfliches» Jahr bedeutete für die andere Partei (Mrs Puri und den Verwalter) einen Punkt.
    «Ein glimpfliches Jahr», räumte Masterji ein. «Aber ich hege noch Hoffnung. Es dauert ja noch lang, bis dieser Monsun vorbei ist.»
    «Ich mag dieses Spiel nicht», sagte Ajwani. «Dieses Dach, das da eingestürzt ist, könnte eines Tages unser eigenes sein.»
    «Vishram? Niemals. Dieses Gebäude hätte tausend Jahre durchgehalten.»
    «Wird
durchhalten», korrigierte Masterji den Verwalter lächelnd.
    «Hätte
durchgehalten.»
    Masterji blickte an die Decke und machte eine elegante Handbewegung, eine Geste boshafter Nachsicht, wie man sie vielleicht von einer Figur in einem Theaterstück erwartet hätte.
    «Ein Punkt für Ihre Partei», sagte er.
    «Wie geht es der jungen Frau in 3 B? Der Journalistin? Bereitet Sie Ihnen immer noch Probleme?»
    «O nein, keineswegs. Wir sind jetzt befreundet. Neulich haben wir gemeinsam Tee getrunken.»
    «Import-Export hat ihr gekündigt. Sie muss bis zum 3. Oktober ausziehen.»
    Masterji wandte sich nach links, um den Makler anzusehen. «Hat Hiranandani einen neuen Mieter gefunden?»
    «Ja», Ajwani lächelte, «Mr Shah vom Confidence-Konzern.»
    Masterji sah zur Decke empor und hob die Stimme. «Noch ein Punkt für diese Partei. Wir verlieren hier gerade meine lieben Mitglieder der Oppositionspartei.»
    Ajwani nahm seine Brille ab und lächelte. «Sie bekommen den Punkt, Masterji. Ich gebe Ihnen sogar hundert Diskussionspunkte. Aber würden Sie im Gegenzug etwas für mich tun? Meine beiden Jungs nehmen bei Ihnen Nachhilfe. Sie sind Ihre allergrößten Fans. Erzählen mir
alles,
was Sie gesagt haben. Wirmüssen immer zuerst Experimente machen, ehe wir etwas glauben können. Richtig? Lassen Sie ausnahmsweise mal Ajwani den Lehrer sein, Masterji. Würden Sie ein Experiment für ihn machen? Würden Sie mal die Straße runtergehen und sich anschauen, was Mr Shah dort hinterm Slum baut? Und mir dann ehrlich versichern, dass dieser Mr Shah Sie
nicht
beeindruckt?»
    Ramu war in T-Shirt und Jeans mit dem von seiner Mutter angefertigten KEIN-LÄRM-Schild in den Händen die Treppe heruntergekommen.
    «Wir gehen zum Siddhi-Vinayak-Tempel, wir werden für alle beten», sagte Mrs Puri und bedeutete ihrem Sohn, er solle seinen drei Onkeln zum Abschied zuwinken. Diese winkten zurück.
    Ajwani zog seinen Stuhl zum Tisch des Verwalters heran und winkte die beiden anderen herbei.
    «Jeden Tag kommt sie mit Prospekten für neue Gebäude zurück, die am nächsten Tag in ihrem Müll landen. Dennoch sagt sie, sie geht zum Tempel.»
    Masterji flüsterte zurück: «Sie haben gerade Konkurrenz bekommen, Ajwani. Gott muss wohl unter die Immobilienmakler gegangen sein.»
    Drei Männer brachen in Lachen aus, und einer von ihnen dachte:
Genau wie früher.
Nichts
hat sich verändert.
    Als Masterji nach draußen trat, sah er Ram Khare an der Grundstücksmauer stehen, wo er ein glänzendes rotes Ding begutachtete, ein brandneues Bajaj-Pulsar-Motorrad.
    «Gehört Ibrahim Kudwa», sagte Ram Khare, «hat es gestern gekauft.»
    «Er sollte kein Geld ausgeben, das er nicht hat.»
    Der Wachmann lächelte. «Das Wasser läuft einem im Mund zusammen, ehe das Essen auf dem Tisch steht. So ist der Mensch, Masterji.»
    Der Lack der Pulsar glänzte wie rote Schokolade, ihr Leib war straff, gewölbt, wie eine Krabbe. Der schwarze Helm des Besitzerssteckte auf dem Rückspiegel. Masterji erinnerte sich an den Motorroller, den er einst besessen hatte, und streckte die Hand aus.
    Einer der Hähne, die in Vakola herumspazierten und manchmal auf das Grundstück eines Genossenschaftshauses schlüpften, flatterte auf den Sitz und krähte warnend.
    Das ist es, was Frauen wollen. Kein Gold, keine dicken Autos, nicht das schnelle Geld.
    Sondern
das.
    Schweres, dunkles, fein gemasertes Holz, frisch lackiert und mit Goldgriffen.
    Mrs Puri strich mit den Händen über die

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