Letzter Mann im Turm - Roman
Fläche der C-Wohnung zugeschlagen. Es hat Vorteile, wenn man in einem alten Gebäude wohnt.»
«Das heißt also, ihr bekommt …» Ritika schaute sich nach Stift und Papier um, ehe sie die Zahlen in die Luft malte.
«16,7», sagte Mrs Puri. «Und ihr?»
Ritika ließ die Hand sinken, lächelte würdevoll und fragte: «Habt ihr euch eine diese Vierzimmerwohnungen im obersten Stockwerk angeschaut? Wir denken daran, so eine zu kaufen.»
«Wir können nicht mehr als 6,5 Millionen ausgeben.» Mrs Puri formte den nächsten Satz lautlos mit den Lippen. «Der Rest ist für Ramus Zukunft.»
«Das einzige Problem ist, dass dieser Herr», sie neigte den Kopf in Richtung ihres Mannes, «die Stadt verlassen möchte.»
Streitereien sollten genauso wie das Liebesleben vor dem Kind verborgen werden, das war seit achtzehn Jahren eine eherne Regel im Haushalt der Puris. Aber
das
war die blanke Provokation.
«Warum sollte heutzutage irgendjemand in Mumbai leben wollen?», schnauzte Mr Puri seine Frau an. «Lass uns an einen zivilisierten Ort wie Pune ziehen. An einen Ort, an dem nicht jeden Morgen Zehntausende Bettler aus dem Zug steigen. Ich habe diese Stadt satt, ich habe diesen ewigen Konkurrenzkampf satt.»
«Einen Konkurrenzkampf sollte man gewinnen, nicht davor weglaufen.»
«An einen zivilisierten Ort. Pune ist zivilisiert. Nagpur auch.»
Mrs Puri machte sich zur Erinnerung einen Knoten in ihren Sari. Das würde geklärt werden, sobald Ramu mit seinem netten Entchen schlafen gegangen war.
«Wir haben uns über diesen Confidence-Mann erkundigt», sagte Ritikas kleiner Mann halblaut. «Ich kenne jemanden, der jemanden im Baugewerbe kennt. Er hält einen immer mit dem Geld hin,
immer.
Aber er zahlt. Wir müssen vielleicht vor Gericht ziehen, um das Geld zu bekommen, aber wir werden es bekommen. Wegen ihm mache ich mir keine Sorgen. Wegen ihm nicht.»
«Wegen wem dann?»
«Sangeeta», Ritika lächelte, «wir haben gehört, dass einige Leute in Turm A das Angebot ablehnen.»
«Niemand, absolut niemand in unserer Genossenschaft lehnt das Angebot ab. Eine Person sagt ‹Vielleicht›. Sie ist Kommunistin. Wir werden dafür sorgen, dass sie ihre Meinung ändert.»
«Aber sie ist nicht die Einzige, Sangeeta. Auch der alte Lehrer in eurer Genossenschaft.»
«Masterji?» Mrs Puri lachte. «Er ist wie eine große Jackfrucht. Außen stachlig, innen weich und süß. Er ist der geborene Stänkerer, nicht der geborene Kämpfer. Beklagt sich immer über dieses und jenes. Aber in dem Augenblick, in dem die Pintos Ja sagen, sagt er auch Ja. Ich kenne meinen Masterji.»
Der Kellner näherte sich mit Tellern voller knuspriger
dosas,
Reismehlpfannkuchen.
«Wart’s nur ab, Ritika, wir werden euch schlagen. Turm A wird seine Sondersitzung abhalten und seine Unterschriften zuerst einreichen.»
Als der Kellner die Teller abstellte, fiel allen auf, dass Mrs Puri den größten
dosa
bekommen hatte.
Sie saßen auf einer Bank im Schatten eines kleinen Ashokabaums auf dem kleinen Platz vor dem Restaurant. Mrs Puri hatte den Knoten in ihrem Sari nicht vergessen, aber es musste klargestellt werden, dass es keinen Streit zwischen Mummy und Daddy gab, und so saßen sie dicht nebeneinander. Ramu saß zwischen ihnen, baumelte mit den Beinen und spielte abwechselnd mit ihren Fingern und mit denen seines Vaters.
Ein Paar trat auf sie zu. Die Frau fragte: «Wir suchen die Rathore-Türme.»
«Direkt hinter uns», Mrs Puri zeigte darauf.
Die Frau trug einen vornehmen schwarzen
salwar-kameez,
ihr Mann ein nettes Businesshemd. Ein gepflegtes junges Paar.
Mrs Puri legte ihren Arm um Ramu und sagte zu der jungenFrau: «Das ist mein Sohn. Er heißt Ramesh. Wir könnten Nachbarn werden.»
Mr Puri zog die Augenbrauen hoch; so etwas war noch nie vorgekommen. Ramu einer Fremden vorzustellen.
All die Jahre hatte seine Frau wie eine Leprakranke Abstand zu den anderen Menschen gehalten. Normalerweise versteckte sie Ramu hinter sich, wenn Fremde vorbeigingen; deshalb war sie vielleicht nach seiner Geburt auch so dick geworden. Er dachte immer noch über ihr außergewöhnliches Verhalten nach, als er hörte, wie sie unvermittelt sagte: «Am Sonntag gehen wir alle ins Taj. Hast du gehört?»
«Ins Taj?», fragte Mr Puri. «Bist du jetzt verrückt geworden, Sangeeta?»
Natürlich nicht. Seit sie ein Kind gewesen war, hatte sie hinter dunklen Fenstern die blassen konischen Lampenschirme gesehen – die Sea Lounge im Taj-Hotel. Diesen Sonntag würden sie Hand
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