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Letzter Weg

Letzter Weg

Titel: Letzter Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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erzählte er ihr. »Ich weiß, dass die Gerichtsmediziner in dieselbe Richtung denken, über die wir diskutiert haben; doch wir sind noch weit davon entfernt, mehr zu wissen.«
    »Aber?« Grace hielt kurz inne. »David, ich höre da ein deutliches ›Aber‹ heraus.«
    »Nur dass ich dir am Sonntag nicht erzählt habe, dass ich etwas Ähnliches schon einmal erlebt habe. Vor kurzem ist ein Patient von mir verstorben, und er sah ein wenig … ein wenig zu sehr wie der arme Junge aus.«
    »Ist schon in Ordnung.« Grace hatte das Gefühl, er wolle sie schonen. »Annie hat mir erzählt, wie er ausgesehen hat.«
    David seufzte. »Die arme Frau.«
    »Was war denn mit deinem Patienten?«
    »Es muss nicht das Gleiche gewesen sein«, warnte er.
    »Sag es mir, David.«
    »In dem Fall war es eine Vergiftung mit Strychnin.«
    »Strychnin.« Grace war entsetzt. »Mein Gott.«
    »Mit Rattengift verschnittenes Heroin. Der Goldene Schuss.«
    »Glaubst du, Gregory hat Heroin genommen?«
    »Ich weiß noch nicht, was er genommen hat«, antwortete David. »Und wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen; aber ich vermute, dass allein die Vorstellung die Gerichtsmediziner schon erschüttert hat, ein solch tödliches Gemisch könne auf den Straßen an die Süchtigen verkauft werden. Wenn es so ist, haben wir es hier mit einem Mord zu tun – ganz zu schweigen von all den Junkies, die dann in Gefahr schweben. Vermutlich untersuchen sie gerade bereits das Blut sowie Gewebeproben aus Leber und Nieren. Außerdem hat man mir erzählt, dass sich Spuren von dem Stoff noch in dem Beutel befunden hätten, den ich gesehen habe. Vielleicht hilft ihnen das ja weiter. Aber wie du von Sam weißt, brauchen diese Dinge ihre Zeit … und es gibt ja auch keinen Grund, warum jemand ausgerechnet mich auf dem Laufenden halten sollte.«
    »O Gott.« Erneut spürte Grace die Last des Ganzen. »Der arme nette Junge und seine arme Familie.«
    »Das brauchst du mir nicht zu sagen«, seufzte David.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen, Frau Doktor?«, fragte Lucia eine Stunde später.
    Grace antwortete, dass alles bestens sei, und las weiter in der Krankenkarte des Patienten, der für elf Uhr bestellt war: ein achtjähriger Junge, der noch immer unter Flashbacks litt, nachdem das Haus seiner Familie vor einem Jahr einem Feuer zum Opfer gefallen war.
    Konzentriere dich.
    Es gab eine unumstößliche Regel, die alle verantwortungsbewussten Therapeuten befolgten: jeder Patient für sich, jeder Patient von gleicher Bedeutung.
    Doch Gregory, dieser arme verängstigte Junge, war tot.
    Was bedeutete, dass Grace nichts mehr für ihn tun konnte. Wie Lucia vorhin gesagt hatte, wurde sie gebraucht, und deshalb musste siesich nun auf das lebende Kind konzentrieren und alles tun, um ihm zu helfen.
    Dennoch verschwammen nach wie vor die Worte der Krankenakte vor ihr.
    Strychnin.
    Oder eine andere Substanz, die tödlich genug gewesen war, um Gregorys Leben auf diese schreckliche Art zu beenden.
    Die Gerichtsmediziner befürchteten offensichtlich, dass noch mehr von dem Zeug auf den Straßen war. Diesen Gedankengang weiterzuverfolgen war grauenhaft: Verwundbare Männer, Frauen und Kinder schwebten in größter Gefahr. Es könnte zu einer raschen Folge von Todesfällen kommen, die schlimm genug war, um sogar die Aufmerksamkeit von Sams Abteilung zu erregen.
    Aber es gab noch eine andere Möglichkeit.
    Doch diese war – aus Grace’ Sicht – noch undenkbarer und mit Sicherheit noch unerträglicher für die Familie Hoffman.
    Grace gab auf und legte die Krankenakte beiseite.
    Falls es sich wirklich um Strychnin gehandelt haben sollte …
    Falls es eine einmalige Mischung gewesen sein sollte …
    Dann wäre die Sache persönlich.

26.
    24. August
    Saul erwachte Mittwoch kurz vor Mitternacht in Terris Doppelbett und stellte fest, dass er allein war.
    Er zog sich seine Shorts an und ging hinaus.
    Saul fand Terri auf dem Boden ihres winzigen Wohnzimmers. Sie trug das T-Shirt, das sie sich vor ein paar Stunden über den Kopf gezogen hatte, und sah wie immer teuflisch sexy aus, auch wenn sie in einen Berg von Papieren vertieft war.
    Auch ohne es zu sehen, wusste Saul sofort, was sie tat, denn seit Wochen schon tat sie nichts anderes: Sie grübelte über jedem noch so kleinen Schnipsel Information zu den Muller- und Sanchez-Morden, den sie hatte in die Finger bekommen können, und baute ihre eigenen Akten auf. Selbst wenn sie in ihrem Polizeifahrzeug draußen vor dem Haus auf Saul wartete,

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