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Letzter Weg

Letzter Weg

Titel: Letzter Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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David gesagt hatte, die Drogen seien vielleicht verschnitten gewesen.
    Giftig genug, um zu töten.
    »O Gott, Annie«, sagte Grace, als sie Gregs Mutter sah.
    »Grace«, sagte Annie. »Danke, dass Sie gekommen sind.«
    Grace stand unsicher da. Am liebsten hätte sie die andere Frau umarmt, doch sie rechnete beinahe damit, dass Annie sich wütend auf sie stürzen würde – auf jene Person, an die sie sich mit der Bitte um Hilfe gewandt hatte.
    Schließlich war es Annie, die ihr die Arme entgegenstreckte.
    »Ich weiß, Grace«, sagte sie und weinte leise. »Ich weiß.«
    »Sie werden nie darüber hinwegkommen«, sagte Grace später zu Sam. » Ich werde ja schon nie vergessen, was Annie mir erzählt hat. Wie sollen sie das ertragen?«
    Sie schien unauslöschlich in ihren Geist gebrannt zu sein: die Beschreibung von Gregorys Leichnam, verkrümmt, die dunkle Farbe seines Gesichts, das Blut, die schreckliche Fratze. Unerträglich.
    »Überall standen Fotos von ihm«, fuhr Grace fort, »und überalllagen seine Sachen herum, als würde er noch leben. Und Annie und Jay waren wunderbar zu mir.«
    Es war früh am Abend. Sie waren hinaus auf die Veranda gegangen und ließen die Sorgen des Tages über sich hinwegfließen.
    »Sie waren so freundlich, dass ich es kaum glauben konnte«, sagte Grace.
    »Es sind feine Leute«, bemerkte Sam.
    »Ich hatte eigentlich erwartet, dass sie mich fertigmachen«, fuhr Grace fort. »Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie das Gefühl gehabt hätten, ich hätte Greg im Stich gelassen … was ich ja auch getan habe.«
    »Nein«, widersprach Sam ihr mit fester Stimme. »Das stimmt nicht.«
    »Ich habe ihn vergangene Woche zweimal gesehen.« Grace machte sich nicht einmal die Mühe, sich die Tränen der Wut aus den Augen zu wischen. »Zwei Stunden, und ich habe nichts erreicht.«
    »Sie sind nicht immer bereit, sich helfen zu lassen«, sagte Sam. »Das hast du mir selbst gesagt.«
    »Ich hätte ihn mehr unter Druck setzen müssen.«
    »Womit du riskiert hättest, ihn dir zu entfremden.«
    »Das ist mir ohnehin gelungen, oder?« Grace versuchte, schnell aufzustehen, doch das Gewicht des Babys hielt sie unten; also ließ sie sich stattdessen wieder auf den Stuhl zurückfallen und schlug die Hände vor die Augen. »Tut mir leid.«
    »Gracie.« Sam war aufgestanden, kniete vor ihr und nahm sie in die Arme. »Tu dir das nicht an. Du hast dein Bestes getan, wie immer, wie bei allen deinen Patienten.« Er nahm ihr die Hände vom Gesicht und schaute ihr in die Augen. »Das muss das Härteste auf der Welt für dich sein …«
    »Vergiss mich.« Grace befreite eine Hand und rieb sich die Augen. »Der arme, arme Junge.«
    »Und seine armen Eltern.«
    »Tut mir leid«, sagte Grace erneut.
    »Genug davon«, erklärte Sam.
    Grace schüttelte den Kopf und riss sich zusammen. »Jay hat mir einpaar Fragen über die letzten beiden Sitzungen gestellt, und ich hatte schrecklich wenige Antworten für ihn. Aber ich konnte trotzdem sehen, dass er Angst hatte, diese Antworten zu hören.«
    »Vielleicht hatte er Angst davor«, erwiderte Sam, »dass du ihm etwas zeigen könntest, was er selbst hätte sehen sollen.« Er schaute in den dunkler werdenden Himmel hinauf. »Das ist das ultimative Versagen für einen Vater.«
    Sampsons kleiner Sarg kam ihm wieder in den Sinn, und er schauderte.
    »Nicht.« Grace beugte sich vor und schlang die Arme um ihn.
    Er versuchte zu lächeln. »Keine Angst. Wenn du es nicht tust, tue ich es auch nicht.«
    »So einfach ist das aber nicht, nicht wahr?«, fragte Grace.
    »Ich nehme an, so muss es auch sein«, sagte Sam.

25.
    23. August
    »Dr. Becket hat angerufen«, berichtete Lucia Grace am Dienstagmorgen nach der Trauersitzung mit einem elfjährigen Mädchen, das vor kurzem seine Mutter durch Krebs verloren hatte. »Wegen Gregory.«
    Nachdem Grace ihr von Gregs Tod erzählt hatte, hatte Lucia sich gestern Morgen so sehr aufgeregt, dass Grace sie nach Hause hatte schicken wollen; doch Lucia hatte gesagt, das käme nicht in Frage. Wenn es einen Tage gebe, da Grace alle Hilfe und Unterstützung brauche, die sie bekommen könne, dann sei es dieser.
    »Außerdem«, hatte sie gesagt, »schulden wir es Gregory, anderen wie ihm zu helfen, nicht wahr?«
    Und dann hatte sie sich die Augen abgewischt, die Selbstzweifel in Grace’ Gesicht gesehen und hinzugefügt: »Und Sie helfen ihnen, Dr. Lucca. Das tun Sie wirklich.«
    Grace rief David an, kaum dass sie allein war.
    »Ich habe nichts Neues«,

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