Letzter Weg
Kleider vom Leib zu reißen und in Tetés Bett zu fallen.
Nun bückte sich Saul, um das Foto aufzuheben – und erstarrte.
Das Bild zeigte eine Leiche, die im Sand lag, wie es schien. Es war ein grässliches Bild.
Die Leiche war die einer Frau, obwohl man dies nur anhand der nackten Gliedmaßen und der Kleidung sehen konnte. Ihr Kopf und ihr Gesicht waren blutverschmiert und viel zu zerstört, als dass man noch etwas hätte erkennen können – wenn man es überhaupt ertragen konnte, sich das Bild länger als eine Sekunde anzusehen.
Trotz seines Schreckens begann Saul, das Bild zusammenzusetzen. Er nahm an, dass es sich bei der Toten um die Frau handelte, die man am Strand in Hallandale gefunden hatte. Vor ein paar Tagen hatte er im Herald darüber gelesen und auch in den Lokalnachrichten etwas darüber gesehen. Die Tat war als »brutal« und »schockierend« beschrieben worden – mit Worten, an die Leser und Zuschauer sich imZusammenhang mit Gewaltverbrechen schon seit langem gewöhnt hatten.
Es war jedoch etwas vollkommen anderes, es tatsächlich zu sehen.
Übelkeit erregend.
Die Pathologie war definitiv ein Teilbereich der Medizin, zu dem Saul sich nicht im Geringsten hingezogen fühlte, obwohl auch ein »normaler« Arzt nicht zimperlich sein durfte.
In der Möbelschreinerei gab es kein Blut, sah man von der einen oder anderen Schnittwunde ab.
Saul setzte sich an den Tisch und fragte sich, woher Terri das Bild hatte. Angesichts der Tatsache, wie sehr sie an Sams Mordfall interessiert war und an der armen Frau oben in Pompano Beach, hatte sie vermutlich einen Weg gefunden, an so etwas heranzukommen … Vielleicht hatte sie dieses Foto sogar aus dem Morddezernat gestohlen.
Nur dass es nicht wie die professionellen Tatortfotos aussah, die Saul im Laufe der Jahre bei Sam gesehen hatte. Das hier glich eher einem Schnappschuss mit einer normalen Kamera, vielleicht sogar mit einem Einwegapparat.
Aber Terri konnte diesen Schnappschuss doch unmöglich gemacht haben, selbst wenn es ihr gelungen sein sollte, ihrem engen Terminplan zu entkommen und nach Hallandale Beach zu fahren – falls es sich wirklich um die arme Frau von dort handelte. Doch auch wenn sie irgendwie dorthingelangt sein sollte, hätte man ihr mit Sicherheit nicht gestattet, nahe genug heranzugehen, um ein solches Bild aufzunehmen.
Allerdings war niemand charmanter als Teté – oder entschlossener. Vielleicht hatte sie also doch einen Hallandale-Detective überredet, sie einen Blick auf die Tote werfen zu lassen, oder einen der Beamten bezirzt, die den Tatort gesichert hatten.
Vielleicht hatte der Mann sogar eingewilligt, kurz zur Seite zu schauen, damit Terri die Kamera herausholen und den Schnappschuss machen konnte.
Saul schauderte.
»Wie nett.«
Saul zuckte beim Klang von Terris Stimme unwillkürlich zusammen.
»Wirklich schön zu wissen, was mein Freund so treibt, wenn ich schlafe.«
Saul drehte sich um, sah sie in ihrem kurzen schwarzen Nachthemd in der Tür stehen, die Haare zerzaust, Zorn in den Augen.
»Ich bin nur …«
»Du bist nur rein zufällig meine Akten durchgegangen.«
»Natürlich nicht«, protestierte Saul und stand auf. »Das hier lag auf dem Boden.«
Terri riss ihm das Foto aus der Hand. »Ich kann dir nicht glauben, Saul. Und ich dachte, ich könnte dir vertrauen.«
»Das kannst du!« Er war bestürzt über ihren Vorwurf. »Du weißt, dass ich deine Privatsachen nie anrühren würde.«
»Dann ist das hier«, sie hielt das Foto hoch, »einfach aus meinem Aktenschrank geflattert, ja?«
»Um Gottes willen, Teté, ich habe dir doch gesagt, dass es da drüben auf dem Boden gelegen hat.« Er deutete in die Ecke. »Du hast es vermutlich vor dem Abendessen dort fallen lassen, oder wann auch immer du das Bedürfnis gehabt hast, dir so etwas Schreckliches anzusehen.«
»Mord ist nun mal schrecklich, Saul. Schrecklich und hässlich.«
»Mord geht dich aber nichts an .«
»Fang nicht schon wieder damit an.« Sie schüttelte den Kopf, wandte sich von ihm ab und ließ sich auf die Couch fallen.
»Wo hast du das her?«, fragte Saul.
»Das geht dich nichts an«, schnappte Terri.
»Das ist die Frau aus Hallandale, nicht wahr?«
Terri antwortete nicht.
»Wie kommt es, dass eine Anfängerin aus dem Einbruchsdezernat, selbst eine besessene Anfängerin wie du …« Saul benutzte das Wort absichtlich, weil er wusste, dass es sie in den Wahnsinn trieb, »dass so eine es schafft, sich an den Tatort eines Mordes zu
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