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Letzter Weg

Letzter Weg

Titel: Letzter Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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seiner Ängste zu verdrängen.
    »Wie lange hat es gedauert, bis sie seine Luftröhre frei bekommen haben?«
    Das war ein Teil der Angst. Sam schaute seinen Vater nicht an; er konnte es nicht.
    David wusste, was Sam damit wirklich fragen wollte: Wie lange war Sauls Gehirn ohne Sauerstoff gewesen? Das sind gleich zwei Bissen vom vergifteten Apfel, dachte er in stummem Leid, ein Schädeltrauma und Sauerstoffmangel.
    »Das können sie unmöglich sagen.« Er hielt kurz inne. »Das EEG sieht zumindest okay aus.«
    Schließlich wagte Sam es, ihn anzuschauen. Er fühlte sich wieder wie ein kleiner Junge, der Gewissheit bei dem Mann suchte, dem er am meisten auf der Welt vertraute.
    »Aber es ist noch sehr früh, Sohn.« David musste ehrlich sein. »Er ist fürchterlich zusammengeschlagen worden. Das war mehr als nur ein einzelner Schlag.«
    »Liegt er im Koma?«
    Sein Vater schüttelte den Kopf. »Aber sie werden ihn eine ganze Weile ruhig stellen, bis sich alles wieder eingependelt hat.« Verzweifelt suchte er nach weiteren Krumen für seinen älteren Sohn. »Ich weiß, dass es nicht so aussieht, aber wir haben tatsächlich Glück gehabt.«
    »Glück!« Sam verzog das Gesicht.
    »Er lebt«, erklärte David schlicht. »Noch ein paar Minuten, vielleicht weniger, und die Sanitäter hätten keine so gute Arbeit mehr leisten können. Die Prozedur, die sie angewandt haben, kann riskant sein, eine hohle Nadel an der perfekten Stelle, aber sie hatten keine andere Wahl, und Gott sei Dank haben sie es richtig gemacht.«
    »Also könnte er wieder gesund werden?« Sam war noch immer wie ein Kind, das um gute Nachrichten bettelte.
    »Wie gesagt, ist es noch sehr früh«, erwiderte sein Vater erneut. »Zumindest hat er keine Genickverletzung davongetragen.«
    »Mein Gott!« Der Gedanke an diesen Schrecken war Sam bisher gar nicht gekommen.
    »Aber wie es auch weitergeht, sie werden noch viel tun müssen.« Davids Gesicht war ein Gewirr von Linien, von denen jede tiefer war als noch vor wenigen Stunden. »Weitere Operationen, Physiotherapie, Sprachtherapie …« Er schaute seinem älteren Sohn ins Gesicht. »Im Augenblick ist er erst einmal außer Gefahr.«
    »Aber es könnte noch immer was schieflaufen.« Das flehende Kindwar wieder verschwunden, war wieder mit Sams Innerstem verschmolzen, dem Mann voller Angst und einer stetig wachsenden Wut.
    »Ja«, bestätigte David. »Und er hätte auch dort unten am Strand sterben können.« Er griff nach Sams großer Hand, drückte sie und spürte dessen Haut heiß an seinen kalten Fingern. »Aber unser Junge ist stark, nicht wahr?«
    Sam schaute seinen Vater an und erinnerte sich an dessen Zeit auf der Intensivstation mit all den Schläuchen und Drähten. Und David hatte überlebt.
    »Wie du«, sagte Sam und erwiderte den Händedruck.
    Und dann, plötzlich, begann sein Geist wieder zu arbeiten, und er ließ die Hand los.
    »Sie«, sagte er. »Du hast gesagt, ein Mann hätte ihn gefunden, aber du hast doch sicher sie gemeint. Saul und Terri.«
    »Nein«, sagte David. »Nur Saul. Sie haben gesagt, er sei allein gewesen.«
    Zum ersten Mal schaute Sam sich in der Station um. Er ließ den Blick über die anderen Patienten und das wachsame Stationsteam schweifen, und er suchte nach einer anderen Art von Uniform. Doch wahrscheinlich waren die Polizisten wieder gegangen, da sie annahmen, ohnehin nichts tun zu können, ehe Saul nicht aufgewacht war.
    Dann kam ein Naples-Polizist herein, als hätte Sam ihn heraufbeschworen, und ging durch den Raum. Sam winkte ihn rasch in eine Ecke neben der Tür, wo niemand sie belauschen konnte. Er zeigte dem Mann seine Polizeimarke und sah, wie sich der Gesichtsausdruck des Officers von verärgert zu mitfühlend wandelte.
    Sams eigener Polizistenverstand hatte wieder auf schreckliche Art zu arbeiten begonnen.
    »Wissen Sie, ob ein Schläger dafür verantwortlich war?«, fragte er.
    »Meinen Sie einen Baseballschläger?« Sam nickte. »Ich war nicht am Tatort, aber es muss wohl etwas in der Art gewesen sein.«
    Sams Inneres verkrampfte sich. Das ergab keinen Sinn, überhaupt keinen. Andere Küste, keine mögliche Verbindung.
    Außer durch ihn, durch seine Rolle bei den Ermittlungen.
    »Sohn?«
    David stand neben ihm und schaute ihn besorgt an.
    »Ist schon okay, Dad.«
    Er legte seinem Vater den Arm um die Schulter und kehrte mit ihm zum Bett zurück.
    Es muss ein zufälliger Angriff gewesen sein, sagte ihm sein Verstand. Brutal, aber zufällig.
    Nur dass sich die

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