Leuchtende Sonne weites Land - Roman
Alkohol anzurühren.
»Weißt du, Vera und ich machten uns keine Illusionen, als wir hierherkamen, um einen völlig Fremden zu heiraten«, fuhr Tess nachdenklich fort. »Wir haben nicht erwartet, mit Rosen und Geschenken überhäuft zu werden oder die große Liebe zu finden, aber seit gestern Abend weiß ich, dass ich mich im Grunde meines Herzens nach ein klein wenig Romantik sehne. Obwohl ich unzählige Enttäuschungen erlebt habe, glaube ich immer noch an Kavaliere. Vielleicht hältst du mich deswegen für dumm oder wirklichkeitsfremd.«
»Ach was! Ich kann dich ja verstehen, Tess. Es ist völlig in Ordnung, sich eine romantische Beziehung mit einem galanten Mann zu wünschen. Das hast du verdient.«
Tess seufzte. »Ich weiß aber nicht, ob Tim der Richtige dafür ist. Wenn er nur nicht so schüchtern wäre!«
Nachdem die beiden Frauen noch eine Weile über das Grillfest geplaudert hatten, sprang Jacqueline plötzlich auf. »O mein Gott! Das Essen! Das hab ich völlig vergessen! Ich muss das Gemüse in den Ofen geben, sonst ist es nicht fertig, wenn die Männer nach Hause kommen.«
»Was gibt’s denn?«, wollte Tess wissen.
»Lammkeule. Die hab ich schon vor einer ganzen Weile in den Ofen gestellt.«
»Ich rieche gar nichts«, sagte Tess schnuppernd.
»Jetzt wo du es sagst – ich auch nicht. Ich hab den Ofen doch eingeschaltet.«
Tess stand auf und öffnete die Backofentür. »Der Ofen ist kalt!«
»Was? Das kann doch nicht sein!«, rief Jacqueline panisch aus. »Ob er kaputt ist?«
Tess sah sich die Herdschalter genauer an. »Du hast eine Herdplatte eingeschaltet, nicht den Ofen.« Sie drehte erst am einen, dann am anderen Schalter. »So, jetzt ist er an.«
»O nein!«, jammerte Jacqueline. »Das Essen wird niemals rechtzeitig fertig sein! Ich habe Ben gleich gesagt, dass ich nicht kochen kann. Ich habe ihn regelrecht angefleht, mich aus meinem Vertrag zu entlassen. Sogar von Henry habe ich ihm erzählt! Und weißt du, was er darauf geantwortet hat? Ich hätte zwei gesunde Hände und ich solle Gebrauch davon machen. Ich kann nicht einmal einen Backofen einschalten! Ich bin zu nichts zu gebrauchen!« Sie war einem Zusammenbruch nahe.
»Rede keinen Unsinn, Jacqueline, das ist doch kein Weltuntergang.« Sie guckte auf die Uhr an der Wand. Es war kurz vor zehn. »Wann kommen sie denn zurück?«
»Ich weiß nicht genau. Gegen Mittag, denke ich. Bis dahin ist das Fleisch bestimmt nicht gar, oder?« Die Lammkeule war ziemlich groß, und Mrs. Bronte hatte das Fleisch immer stundenlang bei niedriger Temperatur gegart, damit es schön zart wurde.
»Wahrscheinlich nicht, aber ich stelle eine höhere Temperatur ein, dann geht’s schneller. Bis um eins sollte alles fertig sein, und so lange müssen sie eben warten.«
»Und das schadet dem Braten nicht?«, fragte Jacqueline besorgt.
»Du meinst, die höhere Temperatur? Nein, nein. Ich werde ein paar kleine Häppchen machen, damit sie nicht verhungern, bis das Essen auf den Tisch kommt. Mach dir keine Sorgen, das kriegen wir schon hin.«
»Was täte ich nur ohne dich, Tess!«, sagte Jacqueline dankbar.
»Kochen ist gar nicht so schwer, weißt du, und jeder macht mal einen Fehler. Ich habe auch schon ein paarmal das Essen anbrennen lassen.« Tess warf einen Blick auf das Gemüse in der Spüle. »Schäl noch ein paar Kartoffeln und Möhren«, riet sie. »Jungs in dem Alter können futtern wie Scheunendrescher.« Sie ging zur Tür. »Ich bin gleich wieder da, ich will nur schnell ins Bad.«
Als sie kurz darauf zurückkam, erzählte Jacqueline, dass sie auch noch Brot backen müsse.
»Ich hab nicht die leiseste Ahnung, wie das geht«, gestand sie.
»Das ist ganz leicht. Wir bereiten alles vor, dann können wir das Brot in den Backofen schieben, sobald das Fleisch fertig ist.«
Tess zeigte Jacqueline, wie man einen Brotteig zubereitete. Als sie schließlich einen Laib geformt hatte, deckte sie ihn mit einem Tuch ab, damit der Teig gehen konnte. Dann erklärte sie Jacqueline ein paar einfache Kochrezepte.
»Es wird bestimmt Fleisch übrig bleiben, das kannst du aufschneiden und einen Salat dazu machen. Meine Mutter hat früher immer eine Fleischpastete aus Lammfleischresten gebacken. Dasgeht ganz leicht.« Sie beschrieb ihr die einzelnen Schritte ausführlich, und Jacqueline hörte aufmerksam zu. So schnell konnte sie ja wohl doch nicht aufgeben.
Es war halb eins, als Ben, Nick und die vier Jungen zurückkamen. Der köstliche Essensduft stieg ihnen
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