Leuchtendes Land
Mut zusammen, betrat die dämmrige Hotelbar und bestellte ein Bier.
»Schreiben Sie es an, Chas«, sagte er zum Wirt. »Ich bleibe eine Weile in der Stadt. Haben Sie ein Zimmer für mich?«
»Natürlich, Clem«, antwortete der Mann freundlich und schob ein Bier über die Theke. »Das geht aufs Haus. Tut mir wirklich leid um deinen Vater, mein Junge. Der alte Noah war ein anständiger Kerl.«
Clem zog alle Aufmerksamkeit auf sich. Freunde wie Fremde erwiesen dem trauernden jungen Mann den nötigen Respekt. Er hatte nie mit den anderen Burschen »durch den Distrikt ziehen« dürfen, wie Noah sich auszudrücken pflegte, und besaß daher keine Freunde in seinem Alter.
Als Les und Andy Postle hereinschwankten, behandelten sie ihn wie ihren ältesten Freund, nicht wie einen Nachbarn, dessen Farm immerhin zweiunddreißig Meilen von ihrer entfernt lag. Zum Glück, denn Noah hatte die beiden als »ein Paar wilder Tiere« bezeichnet und damit auf ihre allgemein bekannte Lüsternheit angespielt – ohne zu berücksichtigen, dass auch er kein Kind von Traurigkeit war.
»Waisen!«, klagte Les nach einigen mitleidvollen Runden. »Mein Gott, Clem, das wird mir jetzt erst klar! Ihr zwei seid ja Waisen. Ihr armen Schweine.« Fasziniert breitete er sich über dieses Thema aus, bis sein Bruder dem rührseligen Gerede ein Ende setzte.
»Halt die Klappe, Les. Wir sollten den alten Clem aufheitern, sonst fühlt er sich noch schlechter. Komm schon, Clem. Trink noch einen.«
Als das Pub zumachte, zogen sie sich mit zwei Flaschen Bier und einer Flasche Whisky in Clems Zimmer zurück. Clem hatte die Getränke unbekümmert auf seinen Namen anschreiben lassen, weil er in seinem alkoholisierten Zustand überaus dankbar war für seine neugewonnenen Freunde.
Wie durch ein Wunder erschien kurz darauf das Schankmädchen mit einer eigenen Flasche Bier. Es hieß Jocelyn. Clem sagte ihr mehrmals, was für einen schönen Namen sie doch habe, und machte auf dem Bett Platz für sie. Ihr Körper war kurvenreich. Sie schien die älteste in dieser Runde zu sein, eine hübsche Frau mit rosigen Wangen und dichtem, glänzendem schwarzem Haar, die verspielt war wie ein junges Kätzchen. Sie tranken aus ihren Flaschen, lachten und neckten sie, und Jocelyn wusste sich schlagfertig zu wehren.
Clem hoffte, er würde das Rennen machen, doch schließlich ging Andy als Erster durchs Ziel. Er wurde immer zudringlicher, flüsterte ihr ins Ohr, zupfte an den Knöpfen ihrer weißen Bluse und schaffte es sogar, einige davon zu öffnen, ohne dass Jocelyn sich beschwerte. Clem schaute eifersüchtig zu und stritt dabei mit Les über die Vor- und Nachteile des Weizenanbaus. Als Jocelyn und Andy nach hinten aufs Bett kippten, miteinander rangen und kicherten, machten sie ihnen ein wenig Platz.
Les kümmerte sich nicht weiter um die Kapriolen der beiden. Clem versuchte ebenfalls so zu tun, als sei es für ihn ein alltäglicher Anblick, wenn ein Mann und eine Frau direkt neben ihm knutschten und schmusten. Im Vergleich zu der überaus wichtigen Unterhaltung mit Les Postle war es auch eine Bagatelle, denn dabei ging es um das Schicksal von Lancoorie. Dennoch beobachtete er aus dem Augenwinkel Jocelyns offene Bluse und Andy Postles Hand, die sich heftig darin bewegte. Es war heiß im Zimmer. Clem stand der Schweiß auf der Stirn, und er rutschte unbehaglich hin und her.
»Du kommst schon noch dran.« Les zwinkerte ihm zu, und Clem zuckte entsetzt zusammen. Er war noch nie mit einer Frau zusammen gewesen und würde zu Eis erstarren, falls er es vor diesen beiden hier versuchen sollte. Wenn er sich zum Narren machte, würden sie die Nachricht überall verbreiten.
»Ich muss mal pinkeln«, sagte er und schoss zur Tür hinaus.
Langsam ging er die Treppe hinunter und wieder hinauf, schlich im Gang umher und suchte nach einer Ausrede, um nicht in sein Zimmer zurückzumüssen. Er wünschte, er wäre nach Hause gefahren, doch ihn erwartete noch seine geschäftliche Besprechung mit Mr. Tanner. Außerdem musste er den Urkundsbeamten des Gerichts aufsuchen. Les hatte ihm einen interessanten Tip gegeben: »Wenn du dir keine Hilfsarbeiter leisten kannst, besorgst du dir Sträflinge. Hier in der Gegend gibt es noch welche, und sie sind nicht schlimmer als die anderen Herumtreiber, die es zu uns verschlägt. Wir hatten mal einen. Bis er dann meine Schwester geschwängert hat.«
»Wen? Elsie?«
»Ja. Pa hat ihn mit der Pferdepeitsche verjagt und Elsie nach Perth
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