Leuchtendes Land
kosteten sie die Weine, die er seinem Freund servieren wollte.
Kein Wunder, dachte Lil später, dass er am Ende dieses Abends schließlich in ihrem Bett gelandet war. Seit er den Wunsch geäußert hatte, gemeinsam mit ihr zu essen, hatte sie geahnt, dass es über kurz oder lang dazu kommen würde.
Mrs. Cornish war sich darüber im Klaren, welche Stellung sie im Haus hatte. Sie schaltete und waltete im Hintergrund, sorgte dafür, dass man den beiden Herren die köstlichsten Mahlzeiten auftischte, dass ihre Betten angewärmt und die Kristallkaraffen in der Bibliothek nachgefüllt wurden, dass man ihnen am Nachmittag warme Hörnchen mit Brombeermarmelade und Sahne servierte und dass die Kleidung des Gastes in Windeseile gewaschen und ihm anschließend makellos sauber aufs Zimmer gebracht wurde. Lil tat alles Menschenmögliche, um den beiden Männern dieses Wochenende so angenehm wie möglich zu gestalten. Als sie sie von ihrem Fenster aus ins Gespräch vertieft über die Felder marschieren sah – ganz wie es sich für alte Freunde gehörte –, musste sie lächeln. Wenn sie von ihren Spaziergängen zurückkehrten, nahmen ihnen die Hausmädchen die Tweedmäntel und Wanderstöcke ab. Überall im Haus knisterten die Kaminfeuer.
Am Sonntagnachmittag sah Lil zu, wie sich die beiden Freunde an der Anlegestelle umarmten, und bemerkte das zufriedene Lächeln auf Mr. Warburtons Gesicht. Triumphierend trat er den Rückweg zum Haus an.
Mrs. Cornish wartete bereits auf ihn und fragte besorgt, ob alles wunschgemäß verlaufen sei.
An diesem Abend nahmen sie ihren Tee in der Bibliothek ein, und Robert Warburton schwelgte in seinen Erinnerungen an Lord Kengally.
»Er ist so ein guter Freund. Ein anständiger Mensch, den ich gar nicht genug loben kann. Ich fand es viel schöner, ihn für mich allein zu haben, als ihn, wie geplant, am letzten Donnerstag mit all den Leuten teilen zu müssen. Er hat sich sehr gefreut, dass ich ihn allein eingeladen habe. Der Besuch war für ihn eine willkommene Ablenkung von seinen geschäftlichen Angelegenheiten.«
Robert zündete sich eine Zigarre an und erzählte seiner eifrigen Zuhörerin ausführlich von London. »Ich wurde nicht im Geringsten wie jemand aus den Kolonien behandelt, sondern so, als stünde ich über den gewöhnlichen Anglo-Australiern, die dort drüben auftauchten. Daher habe ich die Zeit in London in vollen Zügen genossen.«
»Hast du auch den Tower of London besucht?«
»Natürlich, ich bin mehr als einmal dort gewesen. Und man lud mich zu einer Gartenparty der Königin in den Palast ein.«
»Du lieber Himmel!«
»Doch, doch. Obwohl ich nur ein Künstler war, der hart um den Aufstieg kämpfte, gewann ich Gerald Kengally zum Freund. Er hat mich den richtigen Leuten vorgestellt. Wie er mir sagte, betätigt er sich noch immer als Kunstmäzen. Ich habe mich gefreut, ihm eine Abwechslung vom langweiligen Leben in Perth bieten zu können. Er fand, Minchfield sei ein herrlicher Ort, um sich zurückzuziehen. Bei der nächsten Gelegenheit werde ich euch miteinander bekannt machen.«
Robert nippte genüsslich an seinem Brandy, während Lil das Haus für die Nacht vorbereitete. Dann geleitete er sie nach oben in sein eigenes Zimmer, und von nun an teilte sie allnächtlich sein breites, bequemes Bett. Lil war sich des Geredes der Dienstboten durchaus bewusst, doch je mehr sie klatschten, desto eher würde es sich herumsprechen, wer hier das Sagen hatte.
Nachdem sie Alice geschrieben hatte, sie habe am vergangenen Sonntag die Messe in der Kathedrale besucht, glaubte Thora bald selbst daran. Zur großen Erleichterung der Nanny ging sie auch an diesem Morgen aus. Thora wunderte sich zwar, dass sie den Weg zur Kirche nicht mehr wusste, doch sie genoss den Spaziergang aufgrund des herrlichen Wetters und der Tatsache, dass der neue Hut so wunderbar zu ihrem marineblauen Reisekostüm passte.
»Ich weiß gar nicht, warum ich immer in diesem Zimmer hocke«, dachte sie, als sie durch die stillen Straßen schlenderte. Sie machte einen Schaufensterbummel und lächelte den wenigen Passanten zu. »Ich muss nicht zur Kirche gehen. Hier in Perth kann ich tun und lassen, was ich will.«
Dennoch schmerzte es sie, dass Edgar und Lord Kengally sie im Stich gelassen hatten. »Nicht ein Wort von ihnen seit letzten Freitag«, murmelte sie vor sich hin. Sie hatte ganz vergessen, dass zumindest Tanner ihr von seiner bevorstehenden Reise auf die Goldfelder erzählt hatte. »Sie
Weitere Kostenlose Bücher