Leuchtendes Land
das Essen weg. Ich will es nicht mehr sehen.«
»Wie Sie wünschen, Sir«, antwortete Lil und dachte dabei, dass die Dienstboten in den nächsten Tagen nie da gewesene Gaumenfreuden erleben würden.
»Warum geht bloß alles, was ich plane, daneben?«, jammerte Warburton.
»Am Wetter können Sie nichts ändern. Das war einfach Pech.«
»Ich bin dieses Haus leid. Ich sollte es verkaufen und nach Perth ziehen. Keine Menschenseele ist in der Nähe. Ich bin von Bauerntölpeln mit großem Durst und schlechten Manieren umgeben.«
Lil bekam Angst. Minchfield verkaufen? Was sollte dann aus ihr und Caroline werden? Eine so gute Stelle würde sie nicht wieder finden. Als Respektsperson hatte sie überdies das Recht, die Hausmädchen zum Babysitten zu verpflichten. Diese brannten wiederum darauf, auf Caroline aufpassen zu dürfen, da sie so ihren alltäglichen Pflichten entgehen konnten. Sie fütterten die Kleine mit Begeisterung und machten mit ihr lange Spaziergänge im Park. Caroline wurde von ihnen nach Strich und Faden verwöhnt.
»Sie werden nicht mehr kommen«, mutmaßte Warburton. »Lord Kengally ist ein vielbeschäftigter Mann, der in Gold und Stahl und dergleichen investiert.«
Während der Donner grollte und der Regen an die Fensterscheiben klatschte, saß Mr. Warburton zusammengesunken an seinem Schreibtisch und bot ein Bild des Jammers. Lil beschloss, einen Vorstoß zu wagen, und legte den Arm um ihn. In seinem dünnen Jackett fühlte er sich kompakter an, als sie es von einem Mann erwartet hatte, der doppelt so alt war wie sie. »Nehmen Sie es nicht so schwer, Sir. So etwas passiert eben.«
»Ja, so etwas passiert
mir!«
, Seine Stimme klang hart. »Wissen Sie, dass ich eigentlich Künstler werden wollte? Ich bin nach London gegangen, um zu studieren. Meine gesamte Familie mißbilligte diese Entscheidung. Mein Vater und mein Onkel, der dieses Haus erbaut hat, hatten ein Geschäft zusammen, doch keiner von beiden wollte mir auch nur einen Penny geben. Doch ich blieb standhaft, studierte weiter und verkaufte genügend Bilder, um hier und dort ein Pfund zu verdienen. Im Übrigen lebte ich von dem, was mir meine Mutter schickte. Damals begegnete ich Gerald Kengally, der mich sehr ermutigt hat.« Er hielt inne. »Ich weiß nicht, warum ich Sie mit diesen Geschichten langweile, Mrs. Cornish.«
»Oh, nein, das tun Sie keinesfalls. Ich hatte noch nie die Gelegenheit, mit jemandem zu sprechen, der einen anderen Kontinent besucht hat, von London ganz zu schweigen. Sir, würden Sie mir bei Gelegenheit von London erzählen?«
»Sie möchten wirklich etwas darüber hören?«
»Warum nicht?«, fragte sie ehrlich überrascht. »Nun aber zurück zu Ihrem Freund, dem Lord. Er mag zwar ein vielbeschäftigter Mann sein, aber übers Wochenende sind alle Büros geschlossen. Warum schicken Sie ihm nicht ein Telegramm und laden ihn für Samstag und Sonntag ein?«
»Er erhält bestimmt zahlreiche Einladungen. Nein, er ist sicher ausgebucht.«
»Fragen kostet nichts. Wenn er keine Zeit hat, kommt er eben nicht. Der Sturm wird sich im Übrigen bald legen.«
Mr. Warburton wirkte geistesabwesend und schaute missbilligend zum Fenster hinaus. »Als mein Vater starb«, setzte er an, »kam meine Mutter nach England. Sie war so froh, mich zu sehen und in ihre Heimat reisen zu können. Ich habe zu spät erfahren, dass sie den Geschäftsanteil meines Vaters für ein paar hundert Pfund an unseren unausstehlichen Onkel verkauft hatte.«
»Hat er sie übers Ohr gehauen?«, fragte Lil erstaunt.
»Ganz genau, meine Liebe«, antwortete Warburton düster.
Lil ging durch den Kopf, dass dies wohl in der Familie liegen müsse, da auch Mr. Warburton seine Schwester übers Ohr gehauen hatte, doch das ging sie im Grunde nichts an.
»Ich denke, Sie sollten Ihren Freund dennoch übers Wochenende einladen.«
Als der Sturm sich ausgetobt hatte, wurde die Stimmung im Haus zusehends fröhlicher. Lord Kengally hatte die Einladung angenommen und würde das Wochenende in Minchfield House verbringen.
Da der Inhalt eines Telegramms nun einmal quasi öffentlich ist, wussten am Donnerstagnachmittag bereits alle Nachbarn, dass ein bedeutender Mann Minchfield House besuchen werde. Plötzlich wurde Mr. Warburton mit Visitenkarten und Einladungen für eben dieses Wochenende förmlich überschüttet. Als er später am Abend mit Mrs. Cornish zu Abend aß, machte er sich einen Spaß daraus, diese Einladungen eine nach der anderen zu verbrennen. Dazu
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