Leuchtendes Land
sie das Mittagessen oder den Tee in einem Café ein, doch alle andere Mahlzeiten wurden ihnen aufs Zimmer gebracht. Mrs. Price weigerte sich, ohne Begleitung den Speisesaal zu betreten, und da sie nicht mehr so häufig eingeladen wurde, blieb Netta keine andere Wahl, als Thora Gesellschaft zu leisten.
»Wozu braucht sie mich eigentlich?«, fragte sich Netta. »Es ist verrückt, dass zwei Frauen den lieben langen Tag in diesem Zimmer sitzen und sich lediglich um ein kleines Kind kümmern. Vielleicht hält sie mich für unfähig und will es nicht offen sagen. Viel sagt sie ohnehin nicht. Entweder sitzt sie am Fenster und sieht hinaus oder liest die Frauenmagazine von vorn bis hinten durch. Wird ihr Ehemann bald kommen? Sie spricht nie von ihm. Sagt auch nicht, wie lange sie bleiben will. Ich für meinen Teil stelle mir einen Urlaub anders vor. Wozu ist sie bloß hierhergekommen?«
Tanner kam mit seinen Ermittlungen über die Yorkey-Mine nur langsam voran. Er erkundigte sich bei jedem, der ihm über den Weg lief, und besuchte verschiedene Minen zwischen Kalgoorlie und Yorkey. Die Tatsache, dass die Goldfelder schwindelerregend groß waren und sich in alle Richtungen erstreckten, steigerte seinen Missmut noch. Er war einer der Ersten auf den Feldern gewesen, hatte aber keine märchenhaften Reichtümer entdeckt. Nachdem sich alle fünf Minen, die er gepachtet hatte, als Nieten erwiesen hatten, bestritt er seinen Lebensunterhalt, indem er mit Aktien handelte.
Die Finanzkrisen in Übersee hatten dazu geführt, dass die Investoren sich aus den unsicheren Bankgeschäften zurückzogen und Goldaktien kauften. Die Rohstoffpreise fielen, während der Goldpreis stabil blieb. Auch mit Brauereiaktien erzielte Tanner gute Profite. Das war alles schön und gut, doch den ganz großen Wurf hatte er bisher noch nicht landen können. Als leuchtendes Beispiel stand ihm die Golden-Hole-Mine vor Augen. Sie war von der Londonderry Company übernommen worden, und die Investoren standen Schlange, um Aktien zu erwerben, während die Preise in astronomische Höhen schossen.
»Bald mache auch ich mir ein schönes Leben«, sagte er sich. »Es ist nur eine Frage der Zeit.« Wie viele andere war Edgar davon überzeugt, dass diese gewaltige Hügelkette eine Schatztruhe voller Gold war, dass selbst den südafrikanischen Rand in den Schatten stellen würde. Eine Straße außerhalb der Stadt trug bereits den Namen »Goldene Meile«.
Als Tanner Clem und dessen Freund in ihrem einsamen Lager aufstöberte, wusste er bereits genug über Yorkey, behielt dieses Wissen aber für sich.
»Ich war gerade in der Gegend, Clem. Ich hab gehört, dass du dich hier aufhältst. Wie geht es denn so?«
Clem freute sich, ihn zu sehen, doch die Mine bereitete ihm Kopfzerbrechen. »Verdammt schlecht! Da wartet man monatelang auf Regen, und wenn er endlich kommt, dann gleich als Sintflut. Die verfluchte Mine steht unter Wasser.«
Mike Deagan lachte. »Wir haben das meiste abgeschöpft. Der Rest trocknet von selbst. Morgen gehen wir wieder an die Arbeit.«
»Habt ihr denn Erfolg?«
»Mehr oder weniger«, gestand Clem. »Mir geht nur diese Zeitverschwendung auf die Nerven.«
Clem führte ihn zu der verschlammten Mine hinüber, die von glitschigem Abgang umgeben war.
»Sie werden noch von dieser Mine hören«, gab Clem schließlich zu. »Wir kommen ganz gut voran. Der erste Ertrag belief sich auf dreihundert Unzen pro Tonne, aber es war eine verdammt harte Arbeit …«
»Dreihundert! Du bist auf der Gewinnerstraße, Clem!«
»Ich weiß, aber ich möchte wieder nach Hause. Bin schon zu lange fort gewesen. Mike will bleiben, aber er hat auch keine Frau, die zu Hause auf ihn wartet.«
Tanner war verwirrt. »Wo ist Thora denn?«
»Natürlich auf Lancoorie, zusammen mit Alice und George Gunne. Ich glaube, er leitet jetzt die Farm. Er und Mike Deagan haben sich als anständige Kerle erwiesen.« Clem schaute grinsend zu Mike hinüber. »Jedenfalls wenn man bedenkt, dass sie Exsträflinge sind.«
»Ex?«
»Ja, sie haben ihre Strafe verbüßt und sind nun freie Männer. Ich hoffe, George bleibt wenigstens, bis ich nach Hause komme.«
Edgar kratzte sich am Kopf und ging vorsichtig um die Mine herum. Wusste Clem denn nicht, dass sich seine Frau in Perth aufhielt? Am besten machte er um dieses Thema einen großen Bogen.
In der Hoffnung, etwas von ihnen zu erfahren, nahm er Clems und Mikes Einladung, bei ihnen im Lager zu bleiben, an. Seine Chance kam beim Essen, als
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