Leuchtendes Land
würde sie nur allzu gern mit Robert den Rückzug antreten.
Dann kam Clem Price auf sie zu! Trotzig entschloß sie sich, mit ihm zu tanzen. Wenn es Robert nicht passte – bitte schön. Diesen Mann hatte sie schon immer attraktiv gefunden. Sie hatte große Lust, mit ihm zu tanzen.
Doch was sollte sie sagen, wenn er sie wiedererkannte? »Warte einfach ab, was geschieht, und genieße den Augenblick«, sagte sie sich.
»Kennst du eine Miss Warburton?«, fragte Clem Vosper.
»Nein. Auf zur Bar. Heute Abend wird gefeiert! Charlie Rogers hat mir soeben sein Wort gegeben, dass er und die Linken mich unterstützen werden. Jetzt habe ich genügend zusammen.«
»Genügend was?«
Er versetzte Clem einen Boxhieb. »Hör mir zu, mein Freund. Was ich sagen will, ist, dass ich am Montagabend der offizielle Kandidat der Labour Party für Perth-Süd sein werde.«
Clem freute sich mit ihm. »Gratuliere. Das sind gute Neuigkeiten. Was kommt als Nächstes?«
»Die erste Hürde habe ich genommen, der Rest dürfte nicht schwierig sein. Mit den Arbeitern und Schürfern im Rücken ist mir der Sitz sicher. Forrest und seine großkotzigen Freunde werden sich wundern.« Vosper war so aufgeregt, dass er in die Hände klatschte und lauthals rief: »Ein Hoch auf die australische Labour Party!«
Einige antworteten mit Hurrarufen, doch die meisten starrten den seltsamen Vogel mit dem langen Zopf nur an und fragten sich, wovon er eigentlich sprach. Fred kümmerte sich nicht darum.
»Die kennen Vosper noch nicht.« Er grinste. »Bald werden sie erfahren, wer ich bin. Na los, Clem! Auf zur Bar!«
»Ich kann nicht. Ich habe diesen Tanz jemandem versprochen. Bist du sicher, dass du keine Miss Warburton kennst? Ich meine, ich kenne sie von irgendwoher. Sie ist die Dame, die mit Henery getanzt hat. Den ersten Walzer.«
»Wenn du ihr vorgestellt werden möchtest, sprich mit Henery.«
»Ich habe mich bereits selbst vorgestellt.«
»Wo liegt denn dann das Problem?«
Die Neuigkeit von Vospers Kandidatur hatte sich in Windeseile herumgesprochen, und einige Anhänger der Labour Party eilten nun herbei, um Fred zu gratulieren. Dann machten sich alle auf den Weg zur Bar.
»Kommst du mit, Clem?«, fragte Fred.
»Nach diesem Tanz komme ich nach.«
Als Zeitungsreporter, der immer die Konsequenzen von bedeutenden und weniger bedeutenden Ereignissen bedachte und kommentierte, fragte Fred sich später, was wohl geschehen wäre, wenn Clem, statt zu tanzen, der Einladung in die Bar gefolgt wäre.
Thora wartete lange. Sie hatte es nicht eilig. Gelegentlich wandte sie sich um und warf einen Blick in den Frisierspiegel, ohne die Unordnung um sich herum zu bemerken. Allmählich verlor sich ihre aufgesetzte Heiterkeit, die sie wie eine Schutzhülle umgeben hatte. Zurück blieb – Thora wusste es – ein reines Nervenbündel. Nur der Revolver verlieh ihr ein wenig Selbstsicherheit. Sie begann, auf ihn einzureden: »Es wird ihm noch leidtun, durch diese Tür zu kommen. Er hält mich für eine Närrin. Vermutlich hat er geglaubt, ich würde nie herausfinden, dass ihm ein Haus voller Huren gehört. Dass er sein Geld nicht mit Gold, sondern mit Sünden verdient hat. Das Geld, das auch ich ausgebe.«
Plötzlich wurde ihr die Ungeheuerlichkeit dieser Bemerkung bewusst.
»Um Gottes willen!«, rief sie mit Tränen in den Augen. »Ist es so weit mit mir gekommen? Bin ich ebenso schuldig wie er? Was werden die Leute sagen, wenn sie uns begegnen? Etwa: ›Da gehen die Prices, ihnen gehört ein Freudenhaus‹?«
Nun wusste Thora auch, wieso Mr. Tanner so grob zu ihr gewesen war. Er verachtete sie und ihren Ehemann und das zu Recht.
Vor Angst wie von Sinnen, bemühte sie sich, einen klaren Kopf zu bekommen und die Sache noch einmal zu durchdenken. Sie wäre gern im Zimmer umhergegangen oder ans Fenster getreten, doch sie durfte sich auf keinen Fall von der Stelle rühren, obwohl sie selbst nicht wusste, warum.
Und wenn ihre Eltern nun davon erfuhren? Die Leute aus York, dieser verhassten Stadt? Sie hatte geglaubt, den Demütigungen, die sie dort hatte erfahren müssen, entkommen zu sein, indem sie die größtmögliche Entfernung zwischen sich und ihre Heimat gelegt hatte, doch nun fing alles wieder von vorne an.
Thora schaute sich sorgenvoll im Spiegel an. Niemand kümmerte sich um sie, sie war einfach nur Thora Carty, die die schlimmste aller Sünden begangen hatte. Sie hatte sich schwängern lassen. Damit hatte alles Unglück begonnen. Sie würde nie
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