Leuchtendes Land
doch Thora!«, sagte er und ging auf sie zu.
»Thora!«, rief er, doch sie beachtete ihn nicht. Ihr langer Mantel schleifte über den Boden. Sie machte keine Anstalten, ihn abzulegen, sondern lief einfach in den Saal.
»Wer ist das?«, wollte Robert wissen.
»Mrs. Price. Thora Price. Eine sehr charmante Frau. Ich habe ihren Ehemann heute Abend hier gesehen und war überrascht, dass sie ihn nicht begleitete.«
Henery lachte. »Besser spät als nie.«
Lillian ergriff seinen Arm. »Oh mein Gott! Da ist Thora!«
»Wie bitte?«, fragte er erstaunt. Woher kannte Miss Warburton den Namen seiner Frau?
Dann sah er sie auch.
Clem stöhnte. Was hatte sie hier zu suchen? Aus ihrer Haltung – sie marschierte hocherhobenen Kopfes in den Saal – und ihren zusammengepreßten Lippen schloß er, dass sie wütend auf ihn war. Hoffentlich machte sie hier keine Szene. So, wie sie dort in ihrem viel zu warmen Mantel stand und ihn anstarrte, zog sie schon jetzt alle Blicke auf sich. Da die Höflichkeit gebot, dass er Miss Warburton an ihren Platz begleitete, trat er einen Schritt vor und ergriff Lillians Arm.
Seine einzige Chance bestand darin, Thora hinauszuschaffen. Draußen könnte sie so laut schreien, wie sie wollte. Dann würde er sie ins Cottage zurückbringen. Was für eine Katastrophe, dass sie hier aufgetaucht war. Indem sie die Rolle der vernachlässigten Ehefrau spielte, verdrehte sie völlig die Tatsachen. Typisch für sie! Doch Clem würde das nicht auf sich sitzen lassen.
Thora war zornig. Und sie triumphierte. Jetzt wusste sie, dass sie recht hatte. Ein Blick in das Gesicht der Frau hatte genügt. Diese Frau stammte aus York! Und sie hatte Thora augenblicklich erkannt. Thora hatte genau gesehen, wie die Frau aus lauter Angst Clems Arm umklammert hielt.
»Oh mein Gott! Da ist Thora!«, hatte sie zu ihm gesagt. Selbstverständlich war das Jocelyn. Jocelyn, die Verführerin, die Hure, die sich in Satin gehüllt und mit Juwelen behängt hatte, die höchstwahrscheinlich Thoras Ehemann ihr gekauft hatte.
Sie hatte allen Grund, sich vor Clems Frau zu fürchten. Thora lächelte hämisch, als sie die Waffe unter ihrem Mantel hervorzog und auf sie zielte.
»Jetzt bin ich dran, Jocelyn!«, rief sie mit zitternder Stimme.
Frauen schrien, deuteten auf die Waffe, Leute drängten aus dem Saal, während andere aus der Halle hereinströmten. Thora trat einen Schritt zurück, hielt den Revolver aber unablässig auf Jocelyn gerichtet.
Die Hure verbarg sich hinter Clem.
»Jetzt fällt dir nichts mehr ein, was?«, fragte sie und sah zu, wie sich ihre Beute krümmte, doch Clem schrie sie an und streckte den Arm aus.
»Leg die Waffe weg, Thora!«, rief er mit flehender Stimme. »Leg sie bitte weg.«
»Halt dich da raus«, befahl sie grimmig.
Dann hörte sie, wie ein Mann etwas rief. Seine Stimme klang ruhig, gebildet und freundlich. »Lillian«, rief er, »geh langsam weg. Ganz langsam. Lass die beiden allein.«
Thora hatte keine Ahnung, wer Lillian war, doch das interessierte sie auch nicht. Sie hörte Gemurmel im Hintergrund, und eine Frau antworten: »Ich kann nicht.« Thora war verwirrt.
»Doch, du kannst«, erwiderte die Männerstimme. »Ich bin es, Robert. Ich hole dich.«
Ein fremder Mann trat aus der Menge hervor und ging mit ausgestreckten Händen auf Clem und Jocelyn zu, die allein auf der Tanzfläche standen.
»Gehen Sie weg«, rief Thora verunsichert. Dies ging ihn nichts an.
Noch während sie sprach, sah sie Jocelyn mit aschfahlem Gesicht hinter Clem auftauchen. Jocelyn wollte fliehen!
Thora richtete die Waffe auf sie, folgte ihr und feuerte mehrmals, ohne zu bemerken, dass Clem auf sie zugegangen war.
Die Schüsse hallten im Saal wider. Clem riss die Arme hoch. Er stand unmittelbar vor ihr, ein roter Fleck breitete sich auf seinem weißen Hemd aus, und einen Augenblick später stürzte er zu Boden. Thora nahm nichts davon wahr; sie suchte nach Jocelyn, doch die Frau war in der Menge untergetaucht. Ein Mann versetzte ihr von hinten einen brutalen Schlag und griff nach der Waffe, als sie auf die Knie sank.
Dann brach ein Chaos los. Menschen schrien. Noch nie hatte Thora einen solchen Tumult erlebt. »Laßt mich gehen«, schrie sie. »Dort liegt Clem. Ich muss mich um ihn kümmern.« Doch ein paar Männer hielten sie fest und zerrten sie davon.
»Sie haben schon genug angerichtet, Lady«, sagte einer von ihnen wütend.
Von allen Seiten drangen Menschen auf sie ein, so dass sie kaum noch Luft
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