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Leuchtendes Land

Titel: Leuchtendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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Wenigstens lagen saubere Decken auf der Pritsche, und das vergitterte Fenster war so niedrig, dass sie auf den Hof hinausblicken konnte.
    Thora umarmte ihn stürmisch. »Oh, George! Gott sei Dank, dass du gekommen bist. Wo ist Alice? Kannst du mich nach Hause bringen? Alle versprechen es mir, doch es geschieht nichts. Sie gehen weg und vergessen mich.«
    Es gelang ihm, sie etwas zu beruhigen. Da die Zeit knapp war, fragte er sie ganz direkt: »Thora. Was soll das alles?«
    Sie begann, hysterisch zu weinen, und faselte von der Grausamkeit, dem Essen, den Demütigungen, ihren Kleidern und davon, dass ihre Freunde sie allesamt im Stich gelassen hatten. Schließlich packte er sie und schüttelte sie energisch.
    »Hör auf, Thora, hör um Gottes willen auf damit. Ich weiß, dass es hart ist, aber du musst dich jetzt zusammenreißen.« Er holte ein Taschentuch hervor. »Hier, putz dir die Nase. Ganz ruhig, Mädchen. Ganz ruhig.«
    »Du verstehst mich nicht, George«, wimmerte sie. »Dieser Ort ist furchtbar. Wo ist Alice?«
    »Man hat sie nicht hereingelassen. Hör mir jetzt zu. Was ist geschehen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ganz bestimmt nicht.«
    »Oh, doch. Sag es mir.« Er wunderte sich, dass sie es geschafft hatte, sich unter den gegebenen Umständen so ordentlich, sogar elegant zurechtzumachen. Ihr Haar war gebürstet und am Hinterkopf hochgesteckt. Sie trug eine makellos weiße Bluse unter ihrem grauen Kostüm. Nur die dunklen Ringe unter ihren Augen verrieten, dass sie litt.
    »Du siehst gut aus, Thora«, sagte er, um ihr eine Freude zu machen. »Aber du bist ja schon immer eine Schönheit gewesen.«
    »Meinst du, George? Ist das dein Ernst?«
    »Auf mein Wort.«
    »Clem findet das nicht. Sonst hätte er keine anderen Frauen.«
    »Hast du deshalb auf ihn geschossen?«
    Entsetzt fuhr sie zusammen. »Sag das nicht. Alle sagen das. Ich habe nicht auf Clem geschossen.«
    »Wer dann? Jemand hat auf ihn geschossen.«
    Sie sah ihn von der Seite an. »Habe ich, George?«
    »Ja, Thora.«
    »O Gott! Er ist doch nicht gestorben, oder? Sie sagen, er sei nicht tot. Ist das die Wahrheit?«
    »Ja, aber er ist sehr krank.«
    Thora seufzte. »Darf ich dir etwas sagen, George?«
    »Alles, was du willst.«
    »Es sind meine Nerven. Ich habe Probleme damit. Und ich vergesse Dinge. Ich tue etwas Dummes und vergesse es. Wenn es mir wieder einfällt, bekomme ich schreckliche Angst.«
    »Kannst du dich daran erinnern, dass du auf Clem geschossen hast?«
    »Ich glaube schon, aber ich wollte
sie
treffen, nicht ihn. Und jetzt weiß ich nicht mehr, wieso. Es wird mir wieder einfallen. Ich bin im Gefängnis, nicht wahr? Wirst du Clem ausrichten, dass es mir leid tut?«
    Eine Wache hämmerte an die Tür. George sah Thora eindringlich an. »Wie fühlst du dich jetzt? Abgesehen davon, dass du in dieser Zelle sitzt? Wie sieht es mit deinen Nerven aus?«
    »Ich bin am Ende. Was hast du erwartet?«
    »Aber dein Kopf ist jetzt klar, oder?«
    Sie schaute überrascht hoch. »Ja, das stimmt. Das mit den Nerven kommt und geht. Es ist richtig tragisch.«
    »Ja. Nun hör mir genau zu. Was immer dir über die Schießerei wieder einfällt, sag es niemandem.«
    »Wieso nicht? Du weißt nicht, wie fürchterlich es ist, wenn man sich an Dinge nicht erinnern kann.«
    »Das stimmt. Es ist gut, dass du dich erinnerst, und mir kannst du es gerne erzählen, aber sonst keinem.« Er ergriff verzweifelt ihre Hände und hielt sie fest. »Sei klug, Thora. Du bist keine dumme Frau. Du bist im Gefängnis und wirst lange hierbleiben müssen, wenn du irgendetwas von dem, was sich ereignet hat, weitererzählst. Sag einfach, du könntest dich an überhaupt nichts erinnern. Nur so kannst du dich retten.«
    Sie dachte eine Weile über seine Worte nach und erwiderte schließlich mit Tränen in den Augen: »Sollen sie mich für verrückt halten?«
    Er nickte. »Ja, es ist die einzige Möglichkeit.«
    »Und hältst du mich auch für verrückt?«
    »Ich glaube, dass deine Nerven dir übel mitgespielt haben. Doch jetzt bist du gesund, meinst du nicht auch?«
    »Ich hoffe es.«
    »Dann beweise es, Thora. Halt den Mund. Wenn du sagst, dass du dich nicht erinnern kannst, weiß ich, dass du nicht verrückt bist.«
    Ihre Augen blitzten, als sie begriff. »Aber dann muss ich lügen.«
    »Niemand wird wissen, dass du lügst, Thora. Du musst dich selber retten. Niemand sonst kann das für dich tun. Bleib auf jeden Fall bei deiner Aussage, sonst wirst du viele Jahre im

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