Leuchtendes Land
die Clem in seinem geschwächten Zustand zum Verhängnis werden konnten. Andererseits hatte Mike keine andere Möglichkeit, als ihn ins Zelt zu bringen und dort sich selbst zu überlassen, während er arbeitete. Ihnen fehlte es an Bargeld, und das Seifengold reichte gerade aus, um ihre Kosten zu decken. Er hatte schon mit dem Gedanken gespielt, die Pferde zu verkaufen. Da Weideland hier draußen extrem knapp war, musste er sogar Heu für die Tiere kaufen.
Um die Frauen auf Lancoorie nicht zu beunruhigen, teilte er ihnen mit, dass Clem sich an der Hand verletzt habe und er daher das Schreiben übernommen habe.
»Das
Black Cat
ist eine üble Kaschemme«, berichtete Jocelyn soeben. »Den Fusel, den sie da servieren, würde ich nicht mal einem Hund vorsetzen. Wenn ich an das hübsche Hotel in York denke, wo alles so sauber und ordentlich war, könnte ich heulen. Und unsere Zimmer! Die Bettlaken waren immer frisch gewaschen und gebügelt, die Matratze absolut fleckenlos. Wenn ich wollte, könnte ich Ihnen noch viel mehr über das
Black Cat
erzählen …«, fügte sie geheimnisvoll hinzu. »Madam Glory – welch ein Name für die alte Hexe – kümmert sich keinen Deut darum. Ihren wahren Namen kennt übrigens niemand. Sie spielt Karten, mit einer Zigarre im Mundwinkel wie ein Mann, während wir arbeiten. Manche sagen, sie sei tatsächlich ein Mann. Sollte mich nicht wundern. Sie weiß einfach nicht, wie man den Laden sauber hält. Einige der anderen Mädchen sind echte Huren. Sie haben erzählt, in anständigen Freudenhäusern gäbe es Badezimmer und Hausmädchen und Wäschereien, und alles wäre ordentlich. Und wir hausen in diesem Rattennest!«
Jocelyn betrachtete das Haus aus unbehauenem Holz, dessen Fenster schon hell erleuchtet waren.
»Es heißt, eines Tages würde die Polizei kommen und Madam Glory mitnehmen. Was soll dann aus uns werden? Die anderen Bordelle haben ihre eigenen Mädchen.«
»Weshalb sollte sie sie denn mitnehmen? Das Betreiben eines Bordells verstößt hier nicht gegen das Gesetz.«
»Sie hören mir nicht richtig zu. Ich sagte doch, außer uns bezahlt sie keinen. Sie verspielt ihr Geld, bezahlt weder für den Fusel noch für diesen billigen Fraß, den die Köchin unseren Kunden vorsetzt. Dabei verdient sie mindestens tausend Pfund pro Woche und wirft noch schlimmer damit um sich als unser Teddy hier …«
Mike horchte auf. »Wie viel nimmt sie ein?«
»Bisher waren es tausend, aber die anderen Bordelle haben sie aus dem Rennen geworfen. Die Kunden werden allmählich wählerisch. Ich habe ihr gesagt, wir würden die besseren Leute nicht verlieren, wenn das Haus ordentlicher wäre, aber sie wollte nicht auf mich hören. Wissen Sie, was sie zu mir gesagt hat? ›Dreh das Licht runter, dann merken sie es nicht.‹ Und die Mädchen werden genauso schlampig. Wenn sie nur das Hotel in York erlebt hätte, wüsste sie, wie man so ein Haus führt.« Während sich Jocelyn weiter über die Vorzüge des Hotels ausließ, in dem man angeblich vom Boden essen konnte, interessierte Mike sich mehr für ihre derzeitige Chefin.
»Hört sich an, als habe Madam Glory ihr Interesse am Geschäft verloren. Warum verkauft sie es nicht?«
»Das befürchten wir ja. Die Bank will das Grundstück kaufen, weil es so zentral liegt. Vom Geschäft an sich will man dort nichts wissen. Und das Gebäude soll abgerissen werden. Allerdings bieten sie ihr einen lächerlichen Preis für das Grundstück. Unbebaut ist es nicht mehr wert als fünfzehn Pfund.«
»Noch ist es nicht so weit«, murmelte er. »Ich nehme an, das da drüben ist Ihre Chefin. Warum machen Sie uns nicht miteinander bekannt?«
Jocelyn lachte. »Sie ist alt, hat aber einen Blick für gutaussehende Männer.«
Mike schnitt eine Grimasse. Wie taktlos war doch die Jugend! Madam Glory war höchstens vierzig, so alt wie er selbst.
Als er am nächsten Morgen in Glorys Salon Platz nahm, musste Mike Jocelyn recht geben. Bei Tageslicht sah der Raum schäbig und schmutzig aus.
»Reden wir Klartext«, sagte die Chefin. »Sie wollen das Bordell kaufen?«
»Nein, hier gibt es schon zu viele derartige Etablissements. Ich möchte das Gebäude kaufen und darin eine Pension eröffnen.«
»Damit werden Sie nicht viel verdienen.«
»Das weiß ich. Aber in zehn Jahren wird dieser Häuserblock eine Menge wert sein.«
»In zehn Jahren! Was interessiert Sie das? Bis dahin liegen Sie vielleicht schon unter der Erde. Nehmen Sie eine Zigarre, Mike. Wenn Sie wirklich
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