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Leute, die Liebe schockt

Titel: Leute, die Liebe schockt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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entspannter als ich, und darum versucht er, auch mich zu entspannen. Aber gerade macht
mich seine Entspanntheit und das Rumliegen noch nervöser. Wenn ich so rumliege und gegen die Zimmerdecke starre, fange ich nämlich an, mir das Frauenarzt-Grauen in allen Details und in den schönsten Farben auszumalen. Ich kann nicht anders. Ich habe einfach zu viel Fantasie. Die habe ich von Mama geerbt. Darum machen wir uns beide ständig Sorgen.
    Ich höre, wie Mama und Rita hinter meiner Zimmertür durch den Flur in Richtung Haustür gehen. Arthur und ich hören, wie Mama sagt: »Und bitte behalt es für dich.«
    Ich fasse es nicht! Mama konnte wieder vor lauter Aufregung ihren Mund nicht halten. Sie hat Rita, der größten Klatschtante der Nation, gesteckt, dass Cotsch schwanger ist. Halleluja, die Neuigkeit ist heute am Abend einmal um den Globus. Mama kann es ja egal sein. Die geht eh nicht mehr vor die Tür, seit Cotsch mit Helmuth liiert ist und er wegen ihr seine Ehefrau abgesägt hat. Jetzt muss ich immer die Bio-Einkäufe besorgen, oder Helmuth bringt uns schuldbewusst was von der Metro mit, obwohl Mama das Zeug gar nicht haben will. Sie ist ja, wie gesagt, ziemlich auf dem Ökotrip. Wie auch immer. Jetzt darf ich mich von den Nachbarleuten beim Bioladen schief anglotzen lassen, als käme ich aus dem Clan der Ehebrecher-Schizos.
    Die Haustür klappt und dann klopft es an meiner Zimmertür. Bevor ich »Was?« rufen kann, hören wir schon Mamas Stimme: »Äh, schon gut. Ich leg mich mal kurz hin.«
    Typisch Mama. Ständig muss die sich mal kurz hinlegen. Auf dem Sofa versucht sie, tief durchzuatmen und
im Hier und Jetzt anzukommen, um sich für die Zukunft nicht so viele Sorgen zu machen. Das wird nicht klappen. Ich weiß es jetzt schon: Gleich, wenn sie im Wohnzimmer auf dem Sofa liegt, wird sie sich in den Arsch beißen, dass sie vor Rita die Klappe nicht halten konnte. Dann wird sie sich überlegen, wie Rita aufgeregt von Haustür zu Haustür rennt und allen brühwarm die Ungeheuerlichkeit erzählt. Gleich wird also Arthur gefragt sein, um ihre zerrüttete Aura glatt zu streichen.
    Doch bis Mama uns zu sich ruft, bleibe ich mit dem Kopf auf seinem Sweatshirt liegen, streiche über seine Brust und mit Absicht runter bis zur Gürtelschnalle und sage: »Cotsch meint, die Pille verändert einen psychisch.«
    Arthur zuckt mit den Schultern. »Du kannst dich ja mal beraten lassen.«
    »Und dann?«
    »Dann wirst du vielleicht feststellen, dass das gar keine so schlechte Lösung ist, und nimmst die Pille.«
    Irgendwie ist in mir ein Widerstand. Vor allen Dingen, weil ich Arthur so gar nicht kenne. Der ist sonst viel einfühlsamer. Gerade ist der mir ein bisschen zu pragmatisch, als sei ich ein blödes Mastschwein, das sich weigert, heute brav seine Antibiotika einzunehmen. Sicher: Arthur hat definitiv ein anderes Verhältnis zu Medikamenten als ich. Das allerdings liegt daran, dass Arthur früher von seiner Mutter regelrecht mit Antibiotika gefüttert wurde. Sobald er einen Schnupfen hatte, musste er das Zeug nehmen. Keine Ahnung, woher sie die ganzen verschreibungspflichtigen Pillen hatte. In jedem Fall war sie tablettenabhängig und ist daran gestorben, nachdem sich Arthurs Vater in den Kopf geschossen hatte. Der war Polizist
und litt an Depressionen, nachdem er wiederum aus Versehen seinen Partner bei einem kniffligen Einsatz erschossen hatte. Darum liegt Arthur vermutlich auch so viel daran, seine eigenen Kinder in einem stabilen Umfeld großzuziehen. Und Arthur und ich sind so was von überhaupt kein stabiles Umfeld, wobei ich mir irgendwie schon zutrauen würde, ein Kind großzuziehen, solange ich es nicht rund um die Uhr stillen muss. Ich kann mich nämlich selbst noch sehr gut an meine eigene Kindheit erinnern und welche Bedürfnisse ich damals hatte. Was ich damit sagen will: Ich wäre definitiv eine brauchbare Mutter, die ihren Kindern viel Liebe geben könnte. Ich mache mich aus Arthurs Umarmung frei, krabbele vom Bett runter und stelle mich in die Mitte vom Zimmer. Im Augenwinkel habe ich mein Plüschschweinchen, das noch immer auf meinem hellblauen Sofa sitzt. Witzig. Langsam könnte ich das mal wegräumen.
    Ich ziehe meine Jeans hoch und sage: »Weißt du, Arthur, es fühlt sich etwas seltsam an: Ich meine, wir schlafen miteinander, nicht wahr?«
    Arthur dreht sich zu mir um und stopft sich ein Kissen im Nacken zurecht. »Ja, richtig.«
    »Aber ich bin es, die zum Frauenarzt muss, sich nackt ausziehen soll,

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