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Leute, ich fuehle mich leicht

Titel: Leute, ich fuehle mich leicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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Sondereinsatzkommando in diesem Fall nicht nur aus mir und meiner Schwester bestehen würde. Ich hätte jetzt gerne noch einen erfahrenen Kommissar als moralische Unterstützung dabei. Na ja. Cotsch ist auch nicht schlecht. Die ist hart im Nehmen, was Selbstmordversuche anbelangt. Die will schließlich ständig selber einen verüben.
    Wie auch immer. Ich sage: »Los, wir gehen ums Haus herum und klettern über die Gartentür.«
    »Und dann?«
    »Dann gucken wir, ob wir was Verdächtiges finden.«
    Cotsch nimmt ihr Rad und in ihren Locken hängen rosa Oleanderblüten. Sehr pitoresque . Wenn da nicht dieser dunkellila Knutschfleck an ihrem Hals wäre. Ich will echt nicht wissen, von wem der wieder kommt.
    Ich sage: »Von wem ist der Knutschfleck? Von Tobi?«
    »Quatsch. Solche Typen küsse ich gar nicht.«
    »Ich denke, du hast ihm einen geblasen?«
    »Na und? Das heißt noch lange nicht, dass ich den an meine Lippen lasse. Mich küssen dürfen nur die wirklich wichtigen Typen.«
    »Und wen hast du da an deinen Hals rangelassen?
    »Helmuth.«
    »Was? Wie das denn jetzt? Ich denke, der ist durch.«
    »Ich hatte halt gestern Nacht Lust zu bumsen.«
    »Bist du heimlich zu Helmuth rüber, oder was?«
    »Nee, er ist zu mir.«
    »Helmuth war heute Nacht bei uns?«
    »Mann, ja.«
    Ich fasse es nicht! Helmuth hat mit meiner Schwester im Nebenzimmer rumgemacht, während ich selig in süßen Träumen schwelgte. Das ist ja so was von abartig! Mein Leben nimmt wirklich langsam abnorme Formen an.
    »Und hast du mit Papa noch über deine Brustvergrößerung geredet?«
    »Ja. Ich mache das jetzt.«
    »Und was sagt Mama dazu?«
    »Papa meint, wir sollen es ihr besser nicht sagen, sie macht sich nur unnötig Sorgen.«
    »Und wer bezahlt den Scheiß?«
    »Papa kriegt von dieser Frau Rosendings wohl einen ziemlich günstigen Rabatt.«
    Warum, frage ich mich? Das macht mir alles einen sehr schlüpfrigen Eindruck. Zum Glück kann ich da jetzt nicht weiter drüber nachdenken. Cotsch und ich halten vor der Gartentür mit den aufgesetzten Spießen, die zu Weidemanns Anwesen führt. Cotsch lehnt ihr Rad gehen die Tür, steigt auf den Sattel und schwingt ihr gebräuntes Bein über den First. Mit zwei silikongefüllten Plastiktüten unter der Haut wird sie solche akrobatischen Einlagen nicht mehr ohne Weiteres meistern können.
    »Los, komm!«
    Meine Schwester springt auf der anderen Seite runter, und ich wette um hundert Euro, dass meine Bluse jetzt zerfetzt ist. Ich könnte echt schreien! Mache ich aber nicht, weil wir ja nicht auffliegen dürfen. Ich schwinge mich also ebenfalls über die Tür und lande neben Cotsch im Garten. Wir blicken uns um.
    Die Terrassentür steht offen. Im Wohnzimmer ist niemand. Vielleicht sollten wir einfach wieder verschwinden. Ich meine, es ist nicht gerade höflich, was wir hier veranstalten. Einfach so in den Privatbereich von anderen Leuten einzudringen, ist gegen die Konvention. Auf der anderen Seite würden wir unseres Lebens nicht mehr froh, wenn wir aus Anstand versäumen würden, Rita das Leben zu retten. Ich schlucke und gehe neben meiner Schwester, wie bei so einer gestörten Fernsehballett-Revue, die Steintreppe nach unten. Am Rand des Rasens plätschert ein Springbrunnen.
    Cotsch und ich machen synchron einen Schritt über die Schwelle ins Wohnzimmer, lassen dabei unsere Chucks beziehungsweise Badelatschen auf den Fußabtreter fallen und gehen barfuß weiter über den dunklen, kurzen Teppich.
    Ich rufe zaghaft: »Rita?«
    Keine Antwort. Im Flur ist es kühl und dämmrig. Kein Laut ist zu hören. Schritt für Schritt steige ich die neu gemachte Treppe aus Holz hinauf, bis in den ersten Stock. Cotsch verschwindet nach unten in den Keller. Wir rufen:
    »Rita?«
    Null Reaktion.
    »Rita?«
    Na, das kann ja heiter werden. Ich hole tief Luft und drücke mich im Obergeschoss dicht an der Wand entlang, Richtung angelehnter Badezimmertür. Besser, ich lausche noch einmal, ob ich etwas plätschern höre. Nichts. Ich mache noch einen Schritt. Ich weiß es, mich erwartet nichts Gutes. Rita liegt bestimmt als Eins-a-Wasserleiche in der Badewanne. Hauptsache, sie hat Klamotten an. Okay, Leute. Auch das gehört zum Leben. »Ich kann nicht mehr. Es ist vorbei.« Scheiße, was einem die Erwachsenen so alles bereit sind anzutun. Es ist wirklich schockierend. Ich gebe zu, der Brief war nicht direkt an mich adressiert. Aber ich kann nun mal nichts dafür, dass ich das zweite Gesicht habe und genau spüre, wenn meine Hilfe

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