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Leute, mein Herz glueht

Titel: Leute, mein Herz glueht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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Händen eine neue Zigarette an. Dann hält sie mir erneut die Schachtel hin, so als sei das hier ein unverfängliches Kaffeepäuschen unter Kriminalkommissaren.
    Sie flüstert: »Willst du?«
    Ich hebe abwehrend die Hand und ziehe die Mundwinkel nach unten. »Nein danke!«
    Alina nickt stumpfsinnig rum und inhaliert den Rauch tief in ihre Lunge, dann bläst sie ihn endlich wieder aus. Ganz langsam, so als wollte sie sich daran zugrunde richten.
    Ich sage: »Wird’s bald! Wie konnte das passieren?«
    Alina seufzt, und ich kann ihr nur raten, schnellstens mit dieser Schmierenkomödie aufzuhören. Ich bin gerade etwas gereizt. Jetzt läuft sie auch noch rot an und stottert los: »Na ja. Johannes hat mich gestern Vormittag angerufen und gefragt, ob wir uns treffen.«
    »Wozu?«
    »Er hat dich vermisst und wollte dir ein Willkommensgeschenk besorgen.«
    »Und wozu brauchte er dich dabei?«
    »Er meinte, wenn er mich trifft, dann ist es ein bisschen so, als ob er dich trifft. Er meinte, das inspiriert ihn.«
    »Hä? Was ist das denn für ein Scheiß?«
    »Na ja, weil du und ich doch so gut miteinander befreundet sind.«
    »Ich würde eher sagen: ›Wir waren gut miteinander befreundet.‹«
    Alina klimpert manisch mit ihren Augendeckeln rum, als ob sie gleich anfängt zu heulen. Bitte nicht! Ich muss aufpassen. Auch wenn ich gerne würde: Ich darf sie nicht zu sehr beschimpfen, sonst wird sie bockig. Das liegt daran, weil sie Einzelkind ist. Ich persönlich halte überhaupt nichts von Einzelkindern. Die wissen nicht, wie das Leben läuft, weil ihnen ab der Geburt von Mami und Papi alles zu Füßen gelegt wird. Total beschämend ist das.
    Ich straffe mich also und sage in etwas ruhigerem Tonfall: »Ja, und dann?«
    »Dann bin ich mit der Straßenbahn zu ihm gefahren. Er hat mich an der Haltestelle abgeholt, wir sind zu ihm nach Hause und haben ein bisschen Musik gehört.«
    »Du bist mit ihm nach Hause gegangen?«
    »Ja.«
    »Hast du dich etwa auf seine Matratze gesetzt?«
    »Klar, wo sollte ich sonst sitzen?«
    »Scheiße, Alina!«
    Sie glotzt mich fragend an. »Was?«
    Die Tante schnallt offenbar nichts! Ich meine, auf dieser Matratze haben Johannes und ich uns das erste Mal volle Kanne geküsst. Die Matratze bedeutet mir echt alles. Und Alina hat nichts Besseres zu tun, als sich mit ihren Röhrenjeans draufzupflanzen und sie zu entweihen. Auf der anderen Seite muss ich leider annehmen, dass sie irgendwie unschuldig ist. Offenbar ist das die billige Masche von meinem billigen Freund: Mädchen auf seine Matratze locken, sie mit Musik willenlos machen, um sie anschließend nach Strich und Faden zu verführen. Ich könnte abflippen. Schließlich bin ich auch drauf reingefallen. Total peinlich!
    Aber ich sage: »Und dann habt ihr rumgeknutscht oder was?«
    Alina fängt jetzt echt fast an zu heulen. »Ja.«
    »Und du hast nicht einmal darüber nachgedacht, dass du den totalen Hochverrat an unserer Freundschaft verübst?«
    »Na ja, ich war einfach so erstaunt, dass ich mich plötzlich zu einem Jungen hingezogen gefühlt habe, dass …«
    Okay. Das reicht mir. Mit bebender Stimme sage ich zu Alina: »Weißt du was? Ich bin gerade erst aus der psychosomatischen Klinik entlassen worden. Ich muss mich also behutsam wieder in die Gesellschaft eingewöhnen, und du hast nichts Besseres zu tun, als meine Resozialisierung zu gefährden? Scheiß die Wand an! Alina!«
    »Lelle, es tut mir leid. Ich war - wie gesagt - nur so überrascht, dass ich doch auf Jungs stehe.«
    »Erzähl das deiner Mutter.«
    Mir reicht’s. Ich drehe mich um, reiße mein Rad am Lenker hoch und presche mit ziemlich viel daran hängen gebliebenem Unkraut durchs Unterholz. Die Zweige der Büsche schlagen mir gegen die Waden, die Äste der Bäume kratzen durch mein Gesicht, und ich renne immer weiter, bis nach vorne zum gekiesten Weg. Da springe ich auf meinen Sattel und rase los, immer weiter, der Unendlichkeit entgegen. Bis zum verhangenen Horizont. Der Himmel um mich herum verdunkelt sich. Ich sage nur: »Dark is the Night!«
    Die ersten Regentropfen fallen. Hart und kalt. Ich strample immer weiter, an den Tennisplätzen, dem abgemähten Feld vorbei, am Waldrand entlang. Immer weiter, bis über mir ein astreiner Wolkenbruch startet und der Regen wie die biblische Sintflut vom Himmel stürzt. So stark, dass ich kaum noch die Augen offen halten kann. Meine Zähne schlagen aufeinander, und vor meinem inneren Auge sehe ich Alina mit ihren hochgestellten Haaren, wie

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