Level 26 – Dunkle Offenbarung
zu spät. Shane Corbett lag auf dem Boden. Er blutete aus unzähligen Schnitten und Wunden, die schlimmsten davon konzentrierten sich um seine Leiste herum. Dark kniete sich hin und prüfte die Lebenszeichen, aber die Haut kühlte bereits ab. Sein Körper fühlte sich tot an. Die Fingerspitzen erkannten das leichter als der Verstand. Sie nahmen sofort wahr, dass etwas … fehlte. Blut war kreuz und quer über den Teppich gespritzt. Die Frauen saßen auf dem Bett und auf der Couch, benommen, und starrten auf die Baustelle hinaus.
Natasha lief zu der nächsten hin – eine Blondine – und löste ihr das halb zerbrochene Champagnerglas aus der Hand, bevor sie fragte: »Wo ist er?«
»Er ist tot.«
»Nein, der Mann, der Sie hergebracht hat. Wo ist er?«
»Ich bin hergekommen, um es mir zurückzuholen.«
»Hören Sie mir zu. Ein Mann hat Sie hergebracht. Hat Sie und die anderen in diesem Zimmer angemeldet. Er hatte eine Kamera. Wo ist er hingegangen?«
Dark wusste, dass es keinen Sinn hatte. Jedes Mal, wenn Labyrinth einen Helfer verwendete, stellte er irgendwas mit dessen Verstand und Gedächtnis an. Er verwirrte diese Menschen so lange, bis sie glaubten, dass sie sich in irgendeiner anderen Wirklichkeit befanden, einer, die Labyrinth allein kontrollierte.
Sie hatten ihn nur um wenige Minuten verfehlt – aber wie üblich hatte Labyrinth gerade genug Zeit eingeplant, um selbst zu entkommen.
Natürlich nur gesetzt den Fall, dass es tatsächlich Labyrinth gewesen war, der in diesem Zimmer den brutalen Mord an Shane Corbett gefilmt hatte.
Natürlich konnte es auch sein, dass das Monster selbst Tausende von Meilen entfernt war und bereits ein neues Paket auf den Weg schickte.
42.
Brüssel, Belgien
In dem Augenblick, wo das Telefon läutete, erkannte Alain Pantin, dass er in seinem Büro eingeschlafen war.
In der Nacht zuvor war er so überdreht gewesen, hatte bis tief in die Nacht nach Labyrinth-Clips und Videos gesurft, um sich auf die Woge von Interviews und Auftritten am nächsten Morgen vorzubereiten. Die Leute fingen schon an, aufwendige Websites rings um das Thema »Labyrinth« aufzubauen, einschließlich einer Wikipedia-Übersicht über seine Opfer mit Links auf Dokumente, die ihre Schuld »bewiesen«. Andere Webseiten gingen im Detail auf Labyrinths »philosophische« Lebensweisheiten ein, die er in seinen YouTube-Clips geäußert hatte. Es gab auch Seiten, die sich ganz der Spekulation über Labyrinths Identität gewidmet hatten, und Pantin war mehr als nur ein wenig amüsiert, als er bemerkte, dass auch sein eigener Name als Möglichkeit im Gespräch war.
Am Mittag, nach einer erdrückenden Flut von Interviews, hatte Pantin sich in sein Büro zurückgezogen. Er hatte sich zurückgelehnt und die Augen geschlossen … und war einfach nicht wieder aufgetaucht.
Bis ihn jetzt, eine Stunde später, ein Anruf von Trey weckte.
»Sie haben eine Flugreservierung, Abflug in zwei Stunden.«
»Oh?« Pantin rieb sich die Augen. »Wohin geht die Reise?«
»Edinburgh. Ich habe Ihnen an diesem Wochenende Redezeit auf dem WoMU-Gipfel gesichert. Sie können mir später danken.«
»Ich will Ihnen jetzt danken. Ich möchte Sie beinahe küssen.«
Redezeit auf der World Minds United – ein hochgepriesenes internationales Gipfeltreffen, das als Ideenschmiede dienen sollte und morgen in Schottland seinen Anfang nahm. Das war großartig! Pantin hatte sich nicht einmal einen Platz im Publikum sichern können, geschweige denn die Gelegenheit, vor demselben aufzutreten. Die Augen der Welt würden auf Edinburgh gerichtet sein; politische Karrieren nahmen bei Ereignissen wie diesem ihren Anfang.
»Hören Sie, ich würde Ihnen in diesem Fall davon abraten, Labyrinth offen zu erwähnen. Sie haben sich bereits hinreichend von seinen Taten distanziert, und Sie müssen das jetzt nicht noch einmal aufwärmen.«
»Was also dann?«
»Nutzen Sie die große Bühne. Jeder behauptet, dass er gerne vom Rest der Welt lernen möchte, aber in Wahrheit wird der amerikanische Vertreter versuchen, die Versammlung zu dominieren. Das ist Ihre Gelegenheit, ihm ein wenig vom Rampenlicht zu nehmen und Ihrer eigenen Agenda damit mehr Gewicht zu verleihen.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Sagen Sie nichts. Stornieren Sie all Ihre Termine, und arbeiten Sie auf dem Weg zum Flughafen an Ihrer Rede.«
Das Adrenalin vertrieb alle Anzeichen von Erschöpfung. Pantin stand auf und streckte sich, bis seine Fingerspitzen fast die
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