Level 4 07 - 2049
Schulter klopfen.
Doch kurz vorher hob Thomas abwehrend die rechte Hand. »Moment!«, antwortete er ohne aufzusehen, hockte sich hin, putzte mit der Hand Sand vom Asphalt, verharrte in der Bewegung, starrte auf den Fußweg, pulte nun mit dem Zeigefinger in dem schmalen Schlitz, der den Bordstein vom Rasen trennte, und rief schließlich: »Wusste ich es doch!«
Mit einer etwa fünf Zentimeter kleinen Zinnfigur in der Hand erhob Thomas sich wieder. Sie stellte einen kleinen Krieger dar, vielleicht aus einem Fantasy-Brettspiel oder etwas Ähnlichem.
Miriam schüttelte lachend den Kopf. »Das gibt es nicht. Der findet sogar noch Sachen, die schon vergraben sind!«
Thomas strahlte sie an und steckte die Figur in seine Hosentasche, in der schon etliche weitere gesammelte Stücke darauf warteten, in der Garage seiner Eltern abgelagert zu werden.
»Willst du nicht 500 Mark im Schlaf finden?«, fragte Miriam scherzhaft.
Thomas sprang prompt darauf an.
So hatte Miriam es gar nicht gemeint, nun aber blieb ihr nichts anderes übrig als Thomas einzuweihen und ihm zu verraten, wohin sie gerade gingen.
Thomas hatte zu der ganzen Angelegenheit nur eine einzige Frage. Die lautete: »Darf ich mit?«
Es war kaum zu glauben, wie viele Menschen sich fünfhundert Mark verdienen wollten. Die Kinder brauchten gar nicht an der Bürotür zu klingeln. Die Tür stand nämlich offen. Die Menschenmasse drängelte sich bis hinaus ins Treppenhaus.
»Das war’s dann wohl!«, kommentierte Jennifer und wollte gerade umdrehen und den Rückweg antreten. Nie und nimmer dachte sie daran, sich hier anzustellen! Doch für Miriam kam ein Rückzug überhaupt nicht infrage.
»Die verdienen hier alle dick die Kohle und ich schleich mich mit leeren Händen nach Hause?«, flüsterte sie ihrer Freundin ins Ohr. »Ich denke nicht daran!«
Jennifer seufzte tief und versuchte Miriam noch einmal von ihrem unsinnigen Vorhaben abzubringen.
Miriam aber hörte gar nicht zu. »Lass mich nur machen!«, sagte sie und rief dann laut durch die Menge. »T’schuldigung, darf ich mal? Papi, bist du dort vorne? Oh, Mann, ich habe meinen Papa aus den Augen verloren!«
Obwohl Miriam schon dreizehn war und sich in der Regel wie fünfzehn zurechtmachte, empfingen sie sofort ein paar besorgte Gesichter. Einige Erwachsene rückten auch gleich beiseite, wodurch sie natürlich andere noch mehr an die Wand quetschten, die sich lauthals beschwerten und zurückdrängelten, was wiederum denjenigen, die dadurch ans Treppengeländer gepresst wurden, überhaupt nicht behagte. In wenigen Sekunden glich das Treppen- einem Tollhaus. Die Erwachsenen pöbelten sich an, schubsten sich gehässig die Treppen hoch und wieder hinunter, rechts an die Wand oder gegenüber ans Geländer. Schmerzensschreie waren zu hören, Flüche und Androhungen von körperlicher Gewalt. In dem ganzen Durcheinander entstanden hier und da natürlich auch immer wieder Lücken.
Genau darin sah Miriam ihre Chance.
»Mir nach!«, rief sie siegesgewiss, wartete die Reaktion ihrer Freunde gar nicht erst ab, sondern knuffte und zwängte sich durch die jeweils für kurze Zeit entstehenden Gänge im Erwachsenen-Wirrwarr.
Jennifer zuckte mit den Schultern. Es blieben nur zwei Möglichkeiten: entweder Miriam völlig aus denAugen zu verlieren oder sofort hinterherzuschlüpfen. Jennifer entschied sich für die zweite Variante. Und so folgten selbstverständlich auch Ben, Frank und Thomas durch den wabernden Tunnel des murrenden Erwachsenen-Berges, der den Eingang zu dem Forschungsbüro verstopfte.
»Da wären wir!« Zufrieden stemmte Miriam ihre Hände in die Hüften und sah die leichenblasse Frau hinterm Tresen freundlich an, die sichtlich von dem Andrang der vielen Menschen überrascht und von ihrer Aufgabe, die Anmeldung zu organisieren, restlos überfordert war.
Auf den ersten Blick war Miriam schon klar, dass die Frau jetzt alles gebrauchen konnte, bloß keine Fragen.
Also,
dachte Miriam,
bekommt die arme Sekretärin keine Fragen, sondern Antworten.
»Hi!«, begrüßte Miriam sie herzlich. »Da sind wir! Pünktlich wie am Telefon versprochen. Ich nehme an, Herr Doktor erwartet uns schon!«
Die Frau hinter dem Tresen sah von ihren Papieren auf, die sich auf dem kleinen Schreibtisch stapelten. Sie war verwirrt, wusste nichts von einer telefonischen Verabredung. Schließlich hatte in der Zeitungsanzeige wohlweislich auch keine Telefonnummer gestanden. Das wäre ja noch schöner, wenn zu all dem Chaos jetzt auch
Weitere Kostenlose Bücher