Level 4 07 - 2049

entwickelt. Nein, nein, du bist eine Kopie. Eine komplette, hundertprozentige Kopie des Franks aus dem Jahre 1999!«
    »Ich bin nur künstlich?«, fragte Frank leise.
    Der Onkel nickte. »Dein Körper ist eine künstlich hergestellte, recht perfekte Nachahmung deines Körpers aus dem Jahre 1999. Und in deinem Kopf wurde der komplette Inhalt deines Gehirns aus der Zeit eingespeist.«
    »Dann hat das Gehirn-scanning damals doch funktioniert!«, steuerte Thomas bei.
    »Genau!«, bestätigte der Onkel. »Von dem Tag an gibt es euch sozusagen zweimal: Einmal als Original, welches im Jahre 1999 ganz unbeschwert das Labor verlassen hat, weil ihr alles für Blödsinn gehalten habt.«
    »Woher wissen Sie das?«, fragte Jennifer dazwischen.
    Der Onkel überging die Frage und redete einfach weiter. »Und fünfzig Jahre später hat man euch nachgebaut und mit der Übertragung des Gehirninhalts zum Leben erweckt. Ihr seid als Kopie eurer selbst erwacht, denkt aber natürlich wie im Jahr 1999, weil der Inhalt eures Gehirns ja identisch ist mit dem von damals. Seit ihr aufgewacht seid, entwickelt ihr euch aber als Kopie selbstständig weiter, weil ihr neue Erfahrungen macht.«
    »Oh, Mann!«, stöhnte Frank. Zu mehr war er in diesem Moment einfach nicht fähig. Jetzt wusste er, weshalb ihm die Schramme an seinem Bein fehlte. Er hatte einen neuen Körper bekommen! Und deshalb war er durch den Neutronenstrahl auch nicht gestorben. Er war nicht mehr aus Fleisch und Blut! Sein Brustkorb war nur etwas angeschmort, das hatte aber keine Auswirkungen auf irgendeine seiner Körperfunktionen gehabt. Jedenfalls soweit er es bislang festgestellt hatte. So wie eine Maschine manchmal eine Delle abbekommt, ohne dass dadurch die Funktionsfähigkeit gestört würde. Ob er jetzt unverwundbar war wie dieKampfroboter in manchen Filmen? Oder war er plötzlich ganz anderen Gefahren ausgesetzt, von denen er noch gar nichts wusste? Vielleicht konnte er einen Kurzschluss bekommen wie ein Sicherungskasten oder so.
    Jennifer war zum Weinen zumute, aber sie merkte, dass sie nicht weinen konnte. Ihr neuer Körper besaß nicht einmal die Fähigkeit zu weinen. Ebenso wenig wie sie Hunger oder Durst verspürte. Sie besaßen zwar die Fähigkeit zu essen – vermutlich, um in Gesellschaft nicht weiter aufzufallen – aber sie brauchten es nicht!
    »Wir sind Roboter!«, schrie Jennifer entsetzt auf.
    »In gewisser Weise«, bestätigte der alte Mann. »Allerdings ist die Wissenschaft inzwischen so weit, dass ihr keinesfalls reine Maschinen seid. Ihr besitzt Nervenbahnen und auch euer Körper ist zu einem bestimmten Teil organisch. Es ist – um es mal einfach auszudrücken – eine Mischung aus Maschine und organischem Material!«
    »Organisches Material?«, quiekte Miriam auf.
    »Eben Mensch!«, sagte der alte Mann.
    Miriam überhörte ihn bewusst. »Organisches Material!«, wiederholte sie leise seufzend und ließ sich zurück in ihren Sitz fallen.
    Alle schwiegen, konnten die ganze Tragweite dieser Erkenntnis noch lange nicht erfassen, sondern stierten nur vor sich hin.
    Dieser Zustand dauerte bestimmt zwanzig oder dreißig Minuten an, ehe Jennifer leise wimmerte: »Warum haben die das mit uns gemacht?«

Unsterblichkeit
    Die erste Erkenntnis, welche die Kinder aus den neuen Informationen gewannen, war zugleich die schlimmste: Sie konnten nie mehr zurück ins Jahr 1999! Sie waren für immer abgeschnitten von ihren Eltern und ihren Freunden, würden niemals mehr in ihre alte Schule zurückkehren können zu ihren Mitschülern, nicht in den Sportverein, nirgends hin. Denn alles war fünfzig Jahre her. Man konnte nicht zurück in die Zeit reisen. Und auch in die Zukunft waren sie ja nicht durch einen technischen Trick gelangt, sondern es waren einfach nur ihre Gedanken fünfzig Jahre lang aufbewahrt worden.
    Wie nach einem langen Schlaf waren sie ein halbes Jahrhundert später aufgewacht und mussten sich in dieser neuen, ihnen so fremden Welt eben einrichten. Dass sie nur Kopien waren, während ihre Originale unbeschwert im Jahre 1999 weitergelebt hatten, nützte ihnen wenig. Denn sie dachten und fühlten wie die Originale.
    Noch einmal wiederholte Jennifer fassungslos ihre Frage: »Warum haben die das mit uns gemacht?«
    »Es ist der alte Traum der Unsterblichkeit!«, sagte der alte Mann ruhig und erklärte, dass das Verfahren des Brain-scannings natürlich die Möglichkeit der Unsterblichkeit eröffne. Man brauchte ja nur einem alten gebrechlichen oder auch